Wie eine Gemeinde um ihre Kirche kämpft

Fast eine Million Euro würde es kosten, die Kapelle Klempenow in Mecklenburg-Vorpommern zu retten, schätzen Experten. Der Kirchenkreisrat rät daher: Gebt sie auf! Doch die Gemeinde kämpft.

Das Schild am Eingang ist eindeutig
Das Schild am Eingang ist eindeutigSybille Marx

Klempenow. In knalligem Gelb prangt es an der Kapelle Klempenow, das Schild „Betreten der Baustelle verboten, Eltern haften für ihre Kinder.“ Schon seit Advent 2017. Und wenn alles so ungünstig läuft wie Experten befürchten, wird das noch Jahre so bleiben.

Denn die Fachwerkkapelle Klempenow, die wie ein freundlicher Vorposten alle Besucher des mittelalterlichen Burgensembles Klempenow bei Altentreptow begrüßt, droht abzusacken. Der Korpus ist in Schieflage, Risse im Gemäuer und Lücken zwischen den Balken könnten weiter aufreißen. Der Grund: Das schmucke Kirchlein, das 1690 nahe der Tollense errichtet wurde, steht auf einer Torfschicht. Und die wurde seit 2017 erst von heftigen Regenfällen, dann von Trockenheit angegriffen – so dass sie nun in Bewegung ist. Der Baubeauftragte des Pommerschen Kirchenkreises erklärt das in einem Gutachten. Rund 700.000 Euro würde es demnach kosten, die Schäden an der Kapelle zu beheben und Pfähle so tief in den Boden zu rammen, dass sie unter der Torfschicht sicheren Grund fänden für ein neues Fundament.

Gottesdienste nur dreimal im Jahr

Der Kirchenkreisrat empfiehlt daher der Gemeinde, die Kapelle aufzugeben – auch wenn es „äußerst schmerzhaft und eine große Enttäuschung“ sei. Kosten in dieser Größenordnung seien einfach nicht zu bewerkstelligen, meint das Gremium. „Der Erhalt der fast 500 Kirchen und Kapellen im pommerschen Kirchenkreis ist eine riesige Aufgabe und zählt zu den Kernanliegen unserer Arbeit.“ Für diese große Gebäudezahl stünden im Haushalt aber weniger als zwei Millionen Euro pro Jahr bereit.

„Zu simpel“, findet Gemeindepastor Christian Bauer diesen Rat. „Aufgeben wäre das völlig falsche Signal!“ Seit sechs Jahren arbeitet der heute 39-Jährige in der Gemeinde Hohenmocker-Daberkow mit ihren elf Kirchen und 930 Gemeindegliedern. Reguläre Sonntagsgottesdienste finden in Klempenow zwar nicht statt, aber besondere Gottesdienste etwa drei mal im Jahr. Und zu denen kämen bis zu 60 Menschen, sagt Bauer. „Außerdem ist es die schönste Kirche in unserem Gebiet, die wird gerne für Taufen und Hochzeiten genutzt! – wegen ihrer historischen, harmonischen Ausstattung und ihrer Lage ganz dicht an der Burg.

Pastor Christian Bauer vor dem schiefen Turm der Kapelle von Klempenow Foto: Sybille Marx
Pastor Christian Bauer vor dem schiefen Turm der Kapelle von Klempenow Foto: Sybille Marx

Bauer sieht darin aber auch eine Grundsatzfrage. „Wir als Kirche dürfen keine Sakralbauten aufgeben!“, findet er. „Das sind unsere Kontaktflächen zu den Menschen! Was haben wir ohne die noch?“ Für die Menschen im pommerschen Hinterland sei die Kapelle, die unter Denkmalschutz steht, zudem ein Stück Geschichte, Kultur und Identität. „Das weiß auch das Land, und darum hatte man uns zugesagt, wir würden aus dem Strategiefonds MV Fördermittel bekommen “, sagt er. Doch als der Kirchenkreis absprang, zog sich auch das Land zurück. „Wir empfinden das als Dolchstoß“, sagt Pastor Bauer.

Natürlich fragt auch er sich: Ist es verhältnismäßig, 700.000 Euro oder wie der Kirchenkreis fürchtet: eine Million in eine Kapelle zu stecken, die nur selten genutzt wird? Und die im Jahr 2000 schon einmal umfassend saniert wurde, nur nicht am Fundament? „Das ist zu viel“, räumt er selbst ein. „Aber darum müssen wir den Preis drücken!“ Seine Idee klingt abenteuerlich: Weil die Kapelle sowieso zerlegt werden müsse, könne man sie auch ein paar hundert Meter weiter wieder aufbauen, „dort, wo der Boden fest ist“, hofft er. Dann würden die 300.000 Euro für die Pfahlgründung gespart. „Und es wäre doch eine tolle Story, oder?“, sagt er schmunzelnd.

Turm muss abgenommen werden

Damit das Gebäude nicht schon vorher einstürzt, müsste allerdings noch in diesem Herbst der hölzerne Kirchturm abgenommen werden, raten Experten. Geschätzte Kosten dafür: 100 000 Euro. Auch die müsste die Gemeinde erstmal aufbringen.

Wie das alles gelingen soll, am besten auch noch schnell, weiß auch Odette Scholz vom Kirchbauförderverein noch nicht. Aber für sie ist klar: „Wir können diese wunderschöne Kapelle nicht aufgeben, sie gehört hierher. Viele verbinden mit ihr noch Erinnerungen an Taufe oder Hochzeit.“ Der Förderverein werde erstmal weiter wie bisher mit Kuchenbasaren Geld sammeln; das nächste mal am 5. Oktober, beim Apfelfest an der Burg Klempenow. Immerhin 300 bis 400 Euro kämen bei jedem Kuchenbasar zusammen, sagt sie. Da sieht man es dann: Hoffnung schmeckt süß.