Wie ein Künstlerinnen-Salon aus Hamburg die Szene veränderte

Wenn Frauen Kunst machen, wird das schnell als „Selbstverwirklichung“ abgetan. Ein Verband stärkt den Beruf der Künstlerin, die Gedok. Gründerin Ida Dehmel wurde vor 150 Jahren geboren.

Beitrag zur Jubiläums-Ausstellung von Heike Holstein
Beitrag zur Jubiläums-Ausstellung von Heike HolsteinGedok HH/Heike Holstein

Hamburg. Die Gedok – Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde – wurde 1926 von Ida Dehmel (1870-1942) in Hamburg gegründet. Der Frau des Dichters Richard Dehmel war es ein Anliegen, die Interessen von Künstlerinnen zu vertreten. Dabei bietet der Verband allen Kunstsparten wie bildende Kunst, Architektur, Literatur, Film oder Musik ein Forum. Zum 150. Geburtstag der Gründerin ehrt der Hamburger Verband Ida Dehmel unter der Überschrift „Leidenschaft Kunst“ mit einer Ausstellung und einem Kulturprogramm.

Ida Dehmel, 1870 in Bingen geboren, war Jüdin, Frauenrechtlerin und schon früh an Kunst interessiert. Aus Kindheitstagen war sie mit dem Dichter Stefan George befreundet, und schon in ihrer ersten Ehe eröffnete sie einen Salon in Berlin. Dort traf sie unter anderen Edward Munch und Richard Dehmel, der später ihr zweiter Ehemann wurde. 1901 zog das Ehepaar Dehmel nach Hamburg. Mit der Kunsthistorikerin und Sammlerin Rosa Schapire gründete Ida Dehmel 1916 den „Frauenbund zur Förderung deutscher bildender Kunst“, der sich für zeitgenössische Künstler engagierte, 1926 dann die Gedok.

Eine Stimme für Frauen

„Ida Dehmel hatte erkannt, dass Frauen in der Kunst zwar präsent waren, aber ihre Interessen nicht in gleicher Weise vertreten wurden wie die der Männer“, erläutert Anja Witt, Künstlerin und ehemaliges Vorstandsmitglied der Gedok. Mit der Gedok sollten auch Frauen eine Stimme in der Kunstwelt erhalten. Zu den Mitgliedern zählten damals Künstlerinnen wie Mary Wigman, Anita Rée oder Alma del Banco. Ida Dehmel wurde 1933 aus der Gedok ausgeschlossen und nahm sich 1942 das Leben, als ihr die Deportation drohte.

Bis heute ist es ein Anliegen des Verbandes, Frauen in der Kunstwelt zu unterstützen. Die Gedok ist eine gemeinnützige Organisation, die ehrenamtliche Arbeit, Beiträge der Mitglieder sowie projektgebundene öffentliche Mittel zur Förderung der Kunst einsetzt. „Wir sind nach wie vor ausschließlich für Frauen offen“, erklärt Anja Witt, „auch wenn es deswegen schon Diskussionen gegeben hat. Aber wir wollen Frauen eine Plattform geben und ihnen dabei helfen, sich zu organisieren.“ Zwar habe sich in fast 100 Jahren viel geändert, auch würden Frauen in der Kunst mittlerweile wahrgenommen, aber immer noch sei es für sie schwer, sich auf den Beruf der Künstlerin einzulassen. „Oft wird die künstlerische Tätigkeit von Frauen nicht ernst genommen und als Form der Selbstverwirklichung angesehen.“ Ida Dehmels Anliegen war die Förderung künstlerischer Talente bei Frauen, und dieser Gründungsmaxime ist die Gedok treu geblieben.

Aus dem Tagebuch

Zum Jubiläum hat sie dazu aufgerufen, sich mit den künstlerischen und gesellschaftlichen Strömungen des beginnenden 20. Jahrhunderts, die zu Ida Dehmels Lebenswirklichkeit gehörten, auseinanderzusetzen. In der Philosophie prägten Wittgenstein, Freud, Jung und Heidegger die Zeit, Stummfilm und Fotografie entwickelten sich, in der Musik gaben Wagner, Liszt sowie Debussy den Ton an. In Amerika entstand der Jazz, und die industrielle Revolution führte zu einer Neuentwicklung der Arbeitswelt wie heute die digitale Revolution. 80 Künstlerinnen aus dem ganzen Bundesgebiet haben Arbeiten zu dem Thema eingereicht. „Der Titel ‚Leidenschaft Kunst‘ ist ein großer Oberbegriff, der Künstlerinnen auch Raum geben sollte, das darzustellen, was ihnen momentan wichtig ist“, sagt Witt.

Die Hamburger Gruppe hat ihren Sitz in St. Georg an der Koppel 66. Die Ausstellung wird bis zum 2. Oktober von Mittwoch bis Freitag, 13 bis 18 Uhr, und Sonnabend und Sonntag von 13 bis 16 Uhr gezeigt. Am Freitag, 25. September, folgt um 19 Uhr ein Konzert, ehe Ida Dehmel am 26. September in einer inszenierten Lesung um 19 Uhr selbst zu Wort kommt: Als Grundlage dient ihr Tagebuch.