Wie ein Café Flüchtlinge und Einheimische zusammenbringt

Vor zwei Jahren startete in Winsen ein Treffpunkt für Einheimische und Flüchtlinge – und wurde zum Vorbild.

Besucher im Café (v.l.): Svenja Schwartz, Pastor Markus Kalmbach und Bankin Omar
Besucher im Café (v.l.): Svenja Schwartz, Pastor Markus Kalmbach und Bankin OmarKaren Miether

Winsen/Luhe. Im Stimmengewirr mischen sich die Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch. Wie viele Menschen an diesem Tag ins „Internationale Café“ in Winsen bei Hamburg gekommen sind, lässt sich schwer schätzen. Mehr als 100 sind es in jedem Fall. Frauen und Männer unterhalten sich in den Gängen, sitzen bei Kaffee und Kuchen zusammen, einige haben Lehrbücher aufgeschlagen, Kinder tummeln sich zwischen den Beinen und in einem Spielzimmer. Seit mehr als zwei Jahren öffnet die evangelische Kirchengemeinde in Winsen einmal in der Woche ihr Gemeindehaus als Treffpunkt für Zuwanderer und Einheimische.
Nach mehr als 111 Treffen sei das Internationale Café nicht mehr wegzudenken, sagt Superintendent Christian Berndt. Es habe die Gemeinde verändert. Wöchentlich kommen bis zu 170 Flüchtlinge, rund 150 Ehrenamtliche engagieren sich. Vor kurzem hat die Feuerwehr ein Zelt neben dem Gemeindehaus aufgebaut, damit noch alle Platz finden. Das Café der Gemeinde hat weit über die Region Nachahmer gefunden, es gilt als Modell für viele ähnliche Einrichtungen.

Anfangs klappte es nur auf Englisch

Svenja Schwartz (17) und Bankin Omar (34) unterhalten sich dort auf Deutsch und im vertrauten Ton. Als sich die beiden vor anderthalb Jahren zum ersten Mal trafen, war das noch anders. Der Syrer Omar war seit zwei Monaten in Winsen und konnte sich fast nur auf Englisch verständigen. Die Schülerin Svenja war von Freunden das erste Mal ins Café mitgenommen worden. Plötzlich saßen die beiden allein am Tisch. „Ich wusste nicht, was wir reden sollten“, erinnert sich Svenja an ihre erste Beklommenheit. „Du hast dann gesagt, ich kann nicht viel Deutsch, aber ich bin glücklich“, fügt sie an und sieht Omar in die Augen. „Da war für mich klar, ich komme wieder.“
Jetzt reden sie viel über Politik und Kultur in Deutschland und in Syrien und darüber, was die Länder unterscheidet. In seiner Heimat sei der Familienzusammenhalt sehr viel enger, sagt Omar, der inzwischen Frau und Kinder nach Deutschland nachholen konnte. „Hier gefällt mir die Freiheit und die Demokratie.“ Er habe als Informatiker an einer Bank gearbeitet, berichtet er. Als aus einer Nachbarstadt Regimegegner und ihre Frauen und Kinder flohen, half er ihnen und brachte sich dadurch selbst in Gefahr.

Ehrenamtliche Helfer

Bankin Omar und Svenja Schwartz treffen sich inzwischen auch dann, wenn neue Flüchtlinge nach Winsen kommen. Er engagiert sich als Dolmetscher. Sie hilft bei der ersten Orientierung. Die 17-Jährige arbeitet seit Anfang November stundenweise für die Kirche als Koordinatorin mit. Doch nicht nur für Einzelne hat das Café etwas verändert.
Weil vor allem die Untätigkeit und Langeweile viele Flüchtlinge quälte, haben die Diakonie, die Kirche und der Landkreis Harburg ein Beschäftigungsprogramm initiiert mit augenblicklich rund 250 Praktikumsstellen. Fast 500 Menschen haben es bereits durchlaufen, berichtet Berndt. Ehrenamtliche bieten auch außerhalb der Cafézeiten regelmäßig Deutschkurse an. „Weil wir die Menschen kennen, können wir Dinge auf den Weg bringen.“
Vieles geschieht gemeinsam mit anderen. Schüler eines Gymnasiums laden Flüchtlingskinder an ihre Schule ein und unterrichten dort Deutsch. In der örtlichen Notunterkunft in einem ehemaligen Hotel, die privat betrieben wird, betreut eine Sozialarbeiterin der Diakonie die Bewohner. Fast alle Schüler, die in der Berufsschule Winsen besondere Klassen für Zuwanderer besuchen, sind von der Kirche dorthin vermittelt worden.
Mit den zunehmenden Flüchtlingszahlen gewinnt zudem das unkomplizierte Zusammenkommen im Café an Bedeutung, sagt der Winsener Gemeindepastor Markus Kalmbach. „Die Situation wird in Deutschland schwieriger und auch bei uns im Landkreis.“ Deshalb leiste das Café auch Arbeit gegen Vorurteile. „Die Flüchtlinge haben ein Gesicht und einen Namen bekommen. Das ist das Entscheidende.“ Die Ehrenamtlichen trügen diese Botschaft weiter. Svenja Schwartz wartet nach ihrem Abitur auf einen Studienplatz. Das Fach steht dabei für sie fest: Jura mit dem Schwerpunkt Asyl- und Ausländerrecht.
Info

Das „Internationale Café“ öffnet immer sonnabends von 13 bis 16 Uhr im Gemeindehaus der Kirchengemeinde St. Marien in Winsen/Luhe.