Wie der Michel einen alten Schatz wiederfand

Zu Pfingsten hat der Michel zum ersten Mal einen neuen Kelch zum Abendmahl genutzt. Das Stück lagerte jahrelang unentdeckt in einem Tresor der Kirche – bis es Hauptpastor Röder zufällig fand. Dann wurde der Kelch mit großem Aufwand restauriert.

Michel-Hauptpastor Alexander Röder und Silberschmiede-Meisterin Margarete Oehlschlaeger präsentieren den restaurierten Kelch
Michel-Hauptpastor Alexander Röder und Silberschmiede-Meisterin Margarete Oehlschlaeger präsentieren den restaurierten KelchTimo Teggatz

Hamburg. Irgendwann im vergangenen Jahr schaute Michel-Hauptpastor Alexander Röder in den Tresor, in dem die Kirche ihre antiken Kostbarkeiten aufbewahrt. Zufällig blieb sein Blick bei einem alten, unscheinbaren Kelch hängen, der offenbar schon bessere Zeiten gesehen hatte. Jedenfalls sei das Stück in keinem guten Zustand gewesen, erinnert sich Röder. Er nahm den Abendmahlskelch mit nach Hause, putzte ihn und machte sozusagen die Probe aufs Exempel. Er schüttete Wasser hinein, doch aus dem Kelch tropfte es. Dann schaute sich Röder den Boden des Kelchs an, und er staunte nicht schlecht, als er die eingravierte Jahreszahl sah: 1729.
Da wurde ihm klar, was er in den Händen hielt: einen Gegenstand aus der ersten Michel-Kirche, die bei einem Feuer 1750 niederbrannte. „Es ist eines der ganz wenigen Stücke, die wir aus der ersten Kirche noch haben“, freut sich Röder. Doch in einem solch schlechten Zustand konnte der Kelch nicht für ein Abendmahl genutzt werden. Der Theologe nahm Kontakt auf zur Lübecker Silberschmiedemeisterin Margarete Oehlschlaeger, die für den Michel bereits eine Hostien-Dose restauriert hatte. Sie war sofort bereit zu helfen. Jetzt gab es nur noch ein Problem: das Geld für die Restaurierung. Etwa 4000 Euro kostete es am Ende, den Kelch wieder schick zu machen. Hier half der Verein Michaelitica, der sich die Erforschung der Michelgeschichte zum Ziel gesetzt hat.

Restaurierung „eine große Herausforderung“

Etwa fünf Monate arbeiteten Margarete Oehlschlaeger und ihre Mitarbeiterin Monika Knorr an dem Kelch, heute haben sie ihn im Michel an Hauptpastor Röder übergeben. Ihm stand die Freude ins Gesicht geschrieben, als er das sakrale Gerät zum ersten Mal nach der Restaurierung sah. „Sie haben einen Schatz gehoben“, rief er. Er sei sehr glücklich mit dem Ergebnis ihrer Arbeit. Die Freude ist berechtigt, denn der Kelch sieht nun komplett anders aus: Kleine Beulen sind ausgebessert worden, der Becher tropft nicht mehr. Vor allem aber hat er seine Farbe geändert: Aus Silber wurde Gold.
Dafür musste Margarete Oehlschlaeger ihre ganze Handwerkskunst aufbieten. Schon seit mehr als vier Jahrzehnten arbeitet sie mit sakralen Objekten, aber „selten war eine Herausforderung so groß“, sagt sie. Ihr größtes Problem: Die Silberlegierung des Kelchs war besonders empfindlich. „Wenn man mit einer zu heißen Flamme arbeitet, zerfließt der Kelch wie Wasser.“ Außerdem sei das Material des Kelchs sehr porös und der Boden mit 0,3 Millimetern extrem dünn.
Um den Kelch sozusagen zu Gold zu machen, nutzte die Restauratorin ein aufwändiges Verfahren: die Feuer-Vergoldung. Sie mischte Gold und Quecksilber zu einer Paste und überzog mit dem so gewonnenen Amalgam den Kelch. Das ist nicht nur kompliziert, sondern wegen der Dämpfe auch gefährlich. Doch bis der Kelch in Gold erstrahlte, dauerte es. 23 Mal musste Margarete Oehlschlaeger das Verfahren wiederholen, was allein anderthalb Wochen dauerte. Zum Schluss wurde er mit einem Blutstein poliert, der wegen seiner roten Farbe so heißt.

Premiere für den Kelch am Pfingstsonntag

Für Margarete Oehlschlaeger war die Restaurierung eine besondere Arbeit: „Es ist wichtig, dass wir diese historischen Dinge erhalten“, sagt sie. Als Expertin für sakrale Geräte ist sie im Norden keine Unbekannte: So hat sie auch das Amtskreuz für Gerhard Ulrich, Landesbischof der Nordkirche, entworfen.
Der Kelch hatte seinen ersten Einsatz am kommenden Sonntag beim Pfingstgottesdienst, den Pastor Röder ab 10 Uhr hält. Auf Wein zum Abendmahl mussten die Gläubigen aber verzichten. In der Hauptkirche St. Michaelis wird traditionell Traubensaft gereicht.