Wie Brot vom Vortag zum Hit wird

Die Hamburger Filiale der „Brotretter“ ist in größere Räume umgezogen. In dem Laden gibt es günstiges Brot vom Vortag, verkauft von ehemaligen Obdachlosen – ein Erfolgsmodell.

George Marior aus Rumänien an der "Brotretter"-Theke
George Marior aus Rumänien an der "Brotretter"-ThekeFriederike Lübke

Hamburg. Über der Eingangstür hängt noch eine Girlande aus Luftballons, erst an diesem Morgen hat die Bäckerei-Filiale eröffnet. Trotzdem ist der Laden schon gut besucht, ältere Menschen sitzen bei einem Kaffee zusammen. Andere stehen am Tresen an. Erst auf den zweiten Blick fallen die Preise auf. Das halbe Brot kostet nur 69 Cent. In Rothenburgsort haben die Bäckereikette Junge und Hinz&Kunzt eine „Brotretter“-Filiale eröffnet.

Sie verfolgen damit gleich mehrere Ziele: Alte Backwaren werden nicht weggeworfen, sondern zu einem günstigen Preis verkauft. Das kommt Menschen mit wenig Geld zugute. Und ehemalige Obdachlose erhalten einen Arbeitsplatz, zuerst nur befristet auf ein Jahr, wenn es gut läuft, auch dauerhaft.

Vor rund vier Jahren gründeten die Hamburger Bäckerei Junge und Hinz&Kunzt den ersten Laden in der Holstenstraße in Lohbrügge. Nun ist der Mietvertrag ausgelaufen, gleichzeitig sollte der Laden vergrößert werden. Das neue Geschäft am Marktplatz in Rothenburgsort hat einen weiträumigen Café-Bereich mit 80 Sitzplätzen. Neben dem Brot vom Vortag gibt es frische Ware wie belegte Brötchen und Kaffee. „Ich glaube, dass es wichtig ist, in welchem Umfeld man sich bewegt“, sagt Geschäftsführer Tobias Schulz, Geschäftsführer der Bäckerei Junge. Auch in Rothenburgsort lebten Menschen, die nicht so viel Geld zur Verfügung hätten.

Ein Beutel Brot für 69 Cent – das gibt's nur bei den Brot-Rettern
Ein Beutel Brot für 69 Cent – das gibt's nur bei den Brot-RetternFriederike Lübke

An seinem alten Standort kam das Geschäft gut an, berichtet Stephan Karrenbauer, Projektleiter von Hinz&Kunzt. „Die Lohbrügger waren richtig traurig“, sagt er. Einige hätten schon angekündigt, auch zum neuen Geschäft fahren zu wollen. Er findet es gut, dass man bei den „Brotrettern“ nicht nachweisen muss, dass man wenig Geld hat. Einkaufen kann jeder. Folglich muss sich auch niemand schämen, wenn er für billiges Brot ansteht.

Gekommen sind tatsächlich viele unterschiedliche Menschen, berichtet Melanie Mauritz, Leiterin der alten Filiale in Lohbrügge. Unter den Kunden seien auch solche gewesen, „die es vom Geld her nicht nötig hätten, die das Projekt aber toll fanden“, sagt sie. Ihren neuen Mitarbeitern musste sie viel erklären, schließlich mussten die ehemaligen Obdachlosen erst lernen, wie man die Kaffee­maschine bedient und welche Zutaten in welchem Brötchen stecken. Einige sprachen zwar nicht fließend Deutsch, dafür konnten sie locker mit den Kunden umgehen, und so war auch die Stimmung im Laden gut, erzählt sie.

Heute steht George Marior hinter der Theke. „Der Umgang mit Menschen“ gefalle ihm am besten, sagt der Rumäne. Er kam nach Deutschland, als er schon ein Teenager­ war. Vom deutschen Schulsystem bekam er nur noch wenig mit, obwohl er gern gelernt hätte. Bei den „Brotrettern“ ist er nun fest angestellt und arbeitet 30 Stunden pro Woche. Vielleicht wird er eine Ausbildung als Bäckereifachverkäufer absolvieren.

Fester Job bei den Brotrettern

Zwei Menschen haben durch die „Brotretter“-Idee eine feste Stelle bekommen, für einen dritten ist es bald so weit. Menschen in Arbeit zu bringen, war „schwieriger, als ich es mir anfangs vorgestellt habe“, sagt Karrenbauer. Wenn man lange aus dem Arbeitsalltag heraus sei, müsse man sich erst wieder daran gewöhnen. Die Frage, ob es sich lohnt, bejaht er aber sofort. Nicht nur für die Verkäufer: Aus seiner Sicht lohnt es sich auch für jeden Kunden und für jeden Bäckermeister, der weiß, dass weniger Brote weg­geworfen werden.

Das ganze Sortiment kann die Bäckerei aber nicht weitergeben. Weizenbrote, Brötchen oder Baguettes werden nach einem Tag hart. Vollkornbrote halten sich dagegen lange. Etwa 40 Prozent der alten Backwaren werden bei den „Brotrettern“ verkauft, schätzt Geschäftsführer Tobias Schulz. 15 bis 20 Prozent gehen an die Tafeln.

Finanziell trägt sich das Konzept nicht. Daran werden vermutlich auch Kaffee und belegte Brötchen nichts ändern. Darum geht es bei den „Brotrettern“ auch nicht, erklärt Tobias Schulz. Dass man Menschen helfen könne, denen es nicht so gut geht, sei viel wichtiger. Deshalb soll die „Brotretter“-Geschichte weitergehen. In Lübeck gibt es schon ein weiteres Geschäft, eine Filiale in Rostock ist gerade in Planung.

Info
Der „Brotretter“-Laden, Rothenburgsorter Marktplatz 2, ist montags bis sonnabends von 9 bis 17 Uhr geöffnet.