Die noch junge Jüdische Kunstschule in Berlin will ein sicherer Raum für Künstler sein. In einer Werkschau präsentieren die Studierenden nun ihre Arbeiten – von Malerei bis Videoinstallationen.
Kurze, abgerissene Bettlaken hängen an einer Wäscheleine. Sie sind verbraucht, haben Brandlöcher. Doch hinter ihnen kommen Fotografien einer bekannten Berliner Institution zum Vorschein: Bilder des Jüdischen Krankenhauses. Die Installation von Diren Demir ist Teil einer Werkschau der Jüdischen Kunstschule, die noch bis Samstag in der Alten Münze in Berlin zu sehen ist. In seinem Werk beleuchtet Demir das Jüdische Krankenhaus in der Zeit des Nationalsozialismus.
Nach der Machtergreifung des NS-Regimes wurde das Krankenhaus ein Sammellager und eine Zwischenstation für die Transporte in die Konzentrationslager. Es wurde Ghetto – zugleich aber auch eine Zufluchtsstätte in der sich viele Juden verstecken konnten. “Mit meiner Arbeit möchte ich an die Geschichte des Gebäudes erinnern”, sagt Demir, in einer Zeit, in der immer mehr Zeitzeugen sterben. Durch seine Fotoinstallation wird Erinnerungsarbeit haptisch erfahrbar – die Besucher selbst müssen die Fragmente der Bettlaken anheben, um die Bilder zu enthüllen.
Demirs Werk ist eine von mehr als 30 Arbeiten, die Studierende der Jüdischen Kunstschule in Berlin derzeit ausstellen. Die Bandbreite ist groß: Neben der Fotografie-Installation sind Malereien, Gegenstandskunst und Videoinstallationen zu sehen. Viele der Arbeiten sind autobiografisch, geben einen Einblick in das Leben der Künstler. Wie das Werk der US-Amerikanerin Laura Cobb, die für die Spurensuche nach der deutschen Vergangenheit ihrer Familie nach Deutschland gekommen ist. Seit einem Jahr sammelt sie Alltagsgegenstände, die sie mit jenen Gegenständen in Verbindung bringt, die ihre deutschen Vorfahren besessen hatten.
Viele, wenn auch nicht alle Arbeiten befassen sich mit ernsten Themen. Auch der Anschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 spielt für einige Künstler eine Rolle. Demir etwa erzählt, er habe Freunde und Bekannte verloren, das jüdische Netzwerk habe sehr gelitten. Die Jüdische Kunstschule selbst wurde im vergangenen Jahr als eine Reaktion auf den Überfall auf Israel gegründet. “Wir wollen Sichtbarkeit für jüdisches Leben schaffen”, sagt die Leiterin der Kunstschule, Mia Alvizuri Sommerfeld. “Es soll ein sicherer Raum sein, der die Arbeit der Studenten schützt und eine Vernetzung ermöglicht.”
Die Jüdische Kunstschule ist ein Projekt des “Instituts für Neue Soziale Plastik”. Der gemeinnützige Verein wurde 2015 gegründet und ist ein Zusammenschluss von antisemitismus-kritischen und jüdischen Künstlern. Für das Projekt der Kunstschule haben internationale Künstler wie Yael Ronen oder Ilit Azoulay in den vergangenen Monaten in unterschiedlichen Berliner Ateliers Seminare angeboten. So sollen die Studierenden ihre Position im Kunst- und Kulturbetrieb stärken.
Nicht alle der Studenten sind dabei jüdischen Glaubens. “Man muss nicht jüdisch sein, um sich mit jüdischen Themen auseinanderzusetzen”, betont Sommerfeld. Die Künstler, die an den Kursen der Jüdischen Kunstschule teilgenommen haben, hätten zu drei Vierteln einen jüdischen Hintergrund. Dazu seien drei Viertel Frauen und ebenso hätten drei Viertel eine Migrationsgeschichte. Die Arbeit der Jüdischen Kunstschule soll im kommenden Semester fortgesetzt werden.