Wenn zum Abschied die HSV-Hymne erklingt

Auf Trauerfeiern in Hamburg ist nicht immer nur kirchliche Musik zu hören. Oft werden Lieder von CDs eingespielt, die dem Verstorbenen etwas bedeutet haben – Schlager inklusive.

Ungewöhnliche Lieder sind auf Trauerfeiern immer gefragter – auch auf der Trompete
Ungewöhnliche Lieder sind auf Trauerfeiern immer gefragter – auch auf der TrompeteBenshot / Fotolia

Hamburg. Der Mann war Fan des Hamburger SV, und zwar über seinen Tod hinaus. Als er beerdigt wurde, ertönte zu Beginn mit dem Lied „Hamburg, meine Perle“ die Hymne des Fußball-Bundesligisten. Weil sich der Verstorbene neben Sport auch für Schlager begeisterte, wurde auch ein Stück von Andrea Berg gespielt, bevor zum Auszug Heidi Kabel „In Hamburg sagt man Tschüss“ sang.
Gleich drei ungewöhnliche Lieder bei nur einer Beerdigung – das ist auch in Hamburg selten. Dennoch zeigt die musikalische Trauerfeier aus der Martin-Luther-King-Gemeinde: Bei Beerdigungen ist längst nicht mehr nur klassische Kirchenmusik gefragt. Neben der Orgel kommt auch der CD-Spieler zum Einsatz – und lässt Lieder erklingen, die man in Kirchen nicht erwartet.

"Man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen"

Den HSV-Fan beerdigte Pastor Andreas Holzbauer. Der Theologe sagt, dass er mit solchen Musikwünschen nicht grundsätzlich ein Problem hat. „Die Lieder haben zum Verstorbenen und zur Trauerfeier gepasst“, sagt Holzbauer. Grundsätzlich gilt es für Holzbauer, die Balance zu finden zwischen den Interessen des Verstorbenen und denen der Angehörigen. Der Pastor mahnt, dass auch die Familie mit den Liedern einverstanden sein sollte, denn ihr werde die Trauerfeier lange in Erinnerung bleiben. Hier sieht er Bestatter in der Pflicht, die in ersten Gesprächen die Trauernden nicht immer gut beraten würden. „Manchmal schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt Holzbauer.
Ausschließlich kirchliche Klänge waren früher in der Kirche von Kirchwerder zu hören. Das hatten Organist Ekkehard Richter und die früheren Pastoren abgesprochen, weil nur angemessene Musik gespielt werden sollte. Doch inzwischen hat der CD-Player auch bei  Trauerfeiern Einzug gehalten. „Wenn die Familien es möchten, erfüllen wir ihnen die Wünsche“, sagt Organist Ekkehard Richter. Ungewohnte Musik würde im ländlichen Kirchwerder allerdings selten verlangt.

Emotionale Überforderung

Auch für Kantor Stephan Reinke ist der CD-Player eine Alternative. Der Itzehoer hat über Musik im Kasualgottesdienst seine Doktorarbeit geschrieben und ist Vorsitzender im Musikausschuss der Liturgischen Konferenz der EKD.  Er beobachtet: Entweder der Musikwunsch ist ganz individuell oder die Auswahl beschränkt sich allein auf eines von rund fünf bekannten Liedern aus dem Gesangbuch. Also entweder Andrea Berg oder „Befiehl du deine Wege“. Die Angehörigen sollten jedoch wissen, dass der besondere Liedwunsch ihr Hören eines Liedes verändern wird. Reinke warnt: „Die Lieder einer Trauerfeier werden umgedeutet. Wenn sie später in einem anderen Kontext wieder gehört werden, kann es zur emotionalen Überforderung führen.“
Die Diskussion rund um die Musik  ist für ihn auch Ausdruck eines Generationswechsels. „Jetzt gibt es eine Generation unter den Kirchenmusikern, die mit Popmusik groß geworden ist“, sagt Reinke. Zum Wandel gehöre, dass immer mehr Menschen nur noch bei  Taufen, Trauungen und Trauerfeiern mit der Kirche in Berührung kämen. Dann müsse sich die Kirche angemessen präsentieren: „Kasualmusik ist das akustische Schaufenster der Kirche.“