Wenn die Kuhhaut wohlig bebt

Mogli, eine charmante Kreuzung aus Rhönschaf und Heidschnucke, blickt neugierig durch das Gatter und scheint die sanften Streicheleinheiten des kleinen Jungen in vollen Zügen zu genießen. Für den Beobachter wird rasch deutlich: Mogli hat Lust auf mehr und streckt ihm voller Erwartung die Schnauze entgegen.

Die flauschige Mogli lebt im „WirGarten“ in Fulda: Das ist kein klassischer Tiergarten oder Streichelzoo, sondern konzipiert als ein Begegnungsort, der Mensch und Tier „auf Augenhöhe“ zusammenbringen will. Auf dem etwa vier Hektar großen Gelände leben rund 125 Haus- und Nutztiere in großzügigen Gehegen.

Das „Mensch-Tier-Begegnungskonzept“ hat das Ziel, die Tiere für Menschen erlebbar zu machen und gleichzeitig das Bewusstsein zu schärfen, dass sie wertvolle Geschöpfe der Natur sind, wie Geschäftsführerin Rieke Trittin erklärt. Und somit „entscheidet das Tier, ob es den Kontakt möchte“. Er erfolge immer freiwillig, nie unter Zwang: Während Hühner oder Zwergziegen auch freilaufend erlebt werden können, entsteht der Kontakt zu den anderen Tieren nur dann, wenn sie an den Zaun ihrer Gehege kommen.

Neben Schaf- und Ziegenherden weiden dort auch Esel wie Nico und Pico, Ponys wie die alte Hedi, die kaum kauen kann, und Lamas. Außerdem gibt es Meerschweinchen, Kaninchen, Känguru Oskar, Damwild, eine Vielzahl Hühner, Enten und Gänse oder einen neugierigen Emu zu entdecken. Wer sie hautnah kennenlernen will, sollte Zeit und Geduld mitbringen.

Sind sie müde oder die Fütterung ist in vollem Gange, hält sich die Neugier auf Menschen in Grenzen. Gerade haben die Tauernschecken einer Besucher-Familie noch aufmerksam in die Augen geschaut, jetzt wenden sich die Gebirgsziegen plötzlich mit Desinteresse ab. „Wir denken von den Tieren ausgehend, wir wollen Möglichkeiten eröffnen“, formuliert Rieke Trittin.

Deshalb werden die Tiere von den Besuchern auch nicht gefüttert. „Wir wollen keine Futterkonditionierung“, erklärt die Agrarwissenschaftlerin. Stattdessen haben sie die Freiheit, sich streicheln zu lassen, wenn sie es möchten, oder sich zurückzuziehen, wenn sie darauf keine Lust haben.

Zeit und Geduld hat Dora Michel mitgebracht. Mit sanfter Stimme nähert sie sich zwei Zwergzebus: „Möchtest du zu mir kommen?“, fragt sie leise. Die Buckelkühe Ramona und Salome lassen sich bereitwillig von der Idstädterin mit den Fingerkuppen massieren. „Ihre Haut hat gebebt“, beschreibt Michel ihre Erfahrung. „Einfach schön“, sagt sie, „ein Abenteuer in einer anderen Welt.“

Und genau darum geht es Rieke Trittin: „Was möchte die Kuh?“ Die Antworten der Tiere seien stets ehrlich. Ziel sei es, die Bedürfnisse beider Seiten in Einklang zu bringen – schließlich besuchten die Menschen die Tiere in „ihrem Zuhause“, wie Trittin betont. Daher sollten die Besucher ohne Erwartungen kommen, einfach Platz nehmen, beobachten und abwarten, was passiert.

Tierpflegerin Claudia Schwertz empfindet es „als Privileg, mit den Tieren zu arbeiten“. Jedes habe einen eigenen Charakter. Rieke Trittin teilt ihre Beobachtungen: Während die Heidschnucken gesellig seien, zeigten die Rhönschafe eher eine eigenbrötlerische Natur. Und Lamas machten alles zusammen: „Fressen, wiederkäuen, schlafen“, ergänzt ihre Mitarbeiterin.

Der „WirGarten“ ist von Donnerstagmittag bis Sonntag für Besucher geöffnet. Darüber hinaus ist er dem pädagogischen Betrieb vorbehalten. Schulklassen oder Kitas können dann verschiedene Angebote buchen – zum Beispiel das Programm „Tierisch beste Freunde“, bei dem Kinder und Jugendliche eine kleine Tierpfleger-Ausbildung machen.

Ein besonderer Ansatz ist die sogenannte tiergestützte Intervention, die das Erleben von freien Begegnungen zwischen Menschen und Tieren innerhalb der Gehege ermöglicht. Das Angebot richtet sich nicht nur an Kinder und Jugendliche, sondern beispielsweise auch an Menschen mit Beeinträchtigungen. „Tiere spiegeln unser Verhalten“, erklärt Rieke Trittin. Der Kontakt zu ihnen rege dazu an, das eigene Verhalten zu reflektieren und zu hinterfragen – etwa: „Was bedeutet es, dass ein Tier ein ganz anderes Bedürfnis hat als ich?“

Der Tierpark wurde 1965 als Heimattiergarten Fulda gegründet, bis 2018 ehrenamtlich betrieben und durch einen Verein finanziert. 2016 musste er für ein Jahr schließen, da die Grenzen der Belastbarkeit – sowohl baulich als auch finanziell – erreicht waren. Anlässlich der Landesgartenschau 2023 übernahm ihn die Stadt Fulda und schuf mit dem Umweltzentrum Fulda, der Kinder-Akademie Fulda und dem Verein den neugestalteten und erweiterten „WirGarten“. Am 27. Oktober feiert er sein einjähriges Jubiläum.