Wenn das Licht ausgeht

Weil in der Nordkirche junge Pastoren fehlen, dürfen die Kirchenkreise nicht mehr alle Stellen nachbesetzen. Im pommerschen Kirchenkreis werden bald 14 der 120 Pfarrstellen „ruhen“ – Ende offen.

Ein Altar ohne Pastor – ist das bald öfter zu sehen? (Symbolbild)
Ein Altar ohne Pastor – ist das bald öfter zu sehen? (Symbolbild)Privat

Katzow. Wann genau Pastor Jim Brendel in den Ruhestand geht, ist noch offen. „Vielleicht in zwei, drei Jahren“, sagt der 62-Jährige. Doch schon jetzt ist klar: Einen Nachfolger wird es für ihn nicht geben. Die Pfarrstelle Katzow zwischen Greifswald und Wolgast wird nach Brendels Weggang auf „ruhend“ gesetzt, vakant sein bis 2030 und vermutlich länger. So hat es der pommersche Kirchenkreisrat in Absprache mit der Gemeinde beschlossen, notgedrungen, wie Propst Gerd Panknin erklärt. „Niemand will das“, sagt Brendel.

Auf der pommerschen Kirchenkreissynode, die für März geplant ist, sollen „ruhende Pfarrstellen“ Thema sein. Denn nicht nur Brendel wird bald aufhören, nicht nur Katzow wird dann für Jahre oder immer den Pfarrsitz verlieren. In der gesamten Nordkirche hat eine Pensionierungswelle eingesetzt: Von 2020 bis zum Jahr 2030 gehen jedes Jahr etwa 80 bis 100 Pastoren in den Ruhestand, heißt es vom Landeskirchenamt. Und nur etwa 300 Theologen aus dem Studium rücken in der Zeit nach, so die Prognose.

Nur ein Pastor für den gesamten Darß

Statt der 1700 Nordkirchen-Pastoren im Jahr 2020 werden im Jahr 2030 nur noch 1100 auf den Kanzeln stehen, Seelsorge anbieten, Kirchengebäude erhalten. Im pommerschen­ Kirchenkreis soll die Zahl von 120 Pastoren im Jahr 2020 auf 95,5 im Jahr 2025 sinken. Auf dem gesamten Darß wird dann zum Beispiel­ nur eine Pfarrstelle verbleiben.

Propst Gerd Panknin
Propst Gerd PankninDaniel Vogel /kirche-mv.de

„Das ist nicht schön“, seufzt Pastor Matthias Ballke aus Kemnitz bei Greifswald: „Wir erleben seit 30 Jahren den Niedergang, immer wieder werden Pfarrbereiche zusammengelegt.“ Zu Wendezeiten hätten in Kemnitz und Umgebung noch drei Kollegen gearbeitet, heute ist er allein für das Gebiet zuständig. Und wenn Brendel im zehn Kilometer entfernten Katzow erst pensioniert ist, müssen Ballke und seine verbleibenden Kollegen in Wolgast und den anderen umliegenden Orten sehen, wie sie die Gemeindeglieder von dort auch noch „mitversorgen“. „Das kriegen wir schon hin, das lässt sich alles gestalten“, meint Ballke. „Nur bräuchten wir irgendwann mal Ruhe und Stabilität. Es ist schon zu viel Kraft in Strukturveränderungen geflossen.“

Wie die Nordkirche den Pastorenmangel abzufedern versucht, sieht Ballke zum Teil skeptisch. 2019 hatte die Landessynode beschlossen, über das „Personalplanungsförderungsgesetz“ mit Einstellungsstopps die wenigen nachrückenden Pastoren gleichmäßig in alle Teile der Landeskirche zu lenken – damit nicht auf dem Land riesige weiße Flecken entstünden, während sich in den Städten der Nachwuchs tummle. Propst Gerd Panknin, der im pommerschen Kirchenkreis für Personalfragen zuständig ist, findet das erleichternd: „Dafür können wir dankbar sein.“

Wie im Sozialismus

Ballke dagegen fühlt sich an sozialistische Planwirtschaft erinnert. „Ich glaube, es wäre besser gewesen, den Wettbewerb um die Kandidaten zuzulassen“, meint er. „Das hätte eher Kreativität freigesetzt und für die Attraktivität des Berufs gesorgt.“ Das jetzige Prozedere sei von Mutlosigkeit gezeichnet. „Aber das ist natürlich nur die Sicht eines einfachen Pastors – ich kenne die Hintergründe ja nicht genauer.“

Immerhin, eines findet Ballke gut: Der pommersche Kirchenkreis hatte die Gemeinden angesichts der anstehenden Pensionierungswelle im Jahr 2019 aufgerufen, sich in „Regionen“ zusammenzufinden und eine Vision zu entwickeln: wie die Pastoren und anderen Hauptamtlichen benachbarter Gemeinden künftig stärker im Team arbeiten, sich gegenseitig besser entlasten und enger miteinander kooperieren könnten. Professionelle Gemeindeberater moderierten die Gespräche.

„Fruchtbare Zusammenarbeit“

„Das war gut“, sagt Matthias Ballke. Seine Gemeinde kooperiere schon länger mit Züssow-Zarnekow-Ranzin. „Wir haben eine gemeinsame Pfarramtsassistentin und organisieren gemeinsame Konfi-Freizeiten.“ Im Rahmen der Gespräche sei die Idee aufgekommen, künftig auch den Gemeindebrief gemeinsam herauszugeben. Der Friedhofs-Mitarbeiter von Züssow-Zarnekow sei zudem Spezialist für Baumpflege und könne sein Wissen auch in Kemnitz einsetzen. „Umgekehrt haben wir einen Hausmeister, der dort manches übernehmen kann.“ Sich so als Region aufzustellen, sei „fruchtbar“.

Schlimme Vorstellung

Allerdings hatten die Gemeinden in den Gesprächen auch die Aufgabe, festzulegen, welche Pfarrstelle in ihrer Region ab 2020 „ruhen“ könnte. „Das sind schmerzvolle Entscheidungen“, sagt Propst Panknin. Zumal es im Moment nicht so aussehe, als ob man diese Stellen je wieder besetzen könne. „Aber wir wollen uns diese Möglichkeit zumindest offenhalten.“

Für Pastor Jim Brendel ist die Vorstellung, dass nach ihm erst mal kein Pastor mehr kommt, schwer auszuhalten. „Das fühlt sich an, als würde hinter mir das Licht gelöscht“, sagt er. „Aber das stimmt natürlich nicht, es geht ja weiter. Und es ist auch nicht das Ende der Kirche.“ Das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gemeindepastoren droht ihm allerdings in eine Schieflage zu kommen. „Bald verwaltet sich die Verwaltung nur noch selbst“, mutmaßt er.

Zu einer Einheit zusammengewachsen

Und im Blick auf Katzow ist ihm und seinen drei Kirchengemeinderäten wichtig, dass gewachsene Kooperationen durch die neue nicht zerstört werden. Die Gemeinden Katzow, Neuboltenhagen und Hohendorf, früher eigenständig, versorgt er seit 1996 als alleiniger Pastor. „Wir sind in dieser Zeit zu einer Einheit zusammengewachsen“, sagt er. „Und wir wollen nicht, dass das zerschlagen wird und Katzow der einen Nachbargemeinde zugeschlagen wird, Neuboltenhagen und Hohendorf zwei anderen.“ Was auch immer die Verbleibenden in der Region für eine Lösung fänden: „Die gewachsenen Verbindungen sollten bewahrt werden“, hofft er. „Das haben wir klar gesagt.“