Weniger Menschen gehen ins Kirchenasyl

Die Verschärfung der Regeln zeigt Wirkung. Sowohl Gemeinden als auch Flüchtlinge sind verunsichert – besonders wegen der möglichen Dauer.

In Kirchen suchen Menschen Schutz
In Kirchen suchen Menschen SchutzStefan Arend / epd

Hannover. Die Zahl der Kirchenasyle in Niedersachsen ist nach der Verschärfung der Regeln im vergangenen Jahr offenbar zurückgegangen. Gegenwärtig gebe es in den evangelischen Gemeinden im Land etwa 16 Fälle von Kirchenasyl, sagte die Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen, Andrea Radtke, auf epd-Anfrage. Im vergangenen August, als die neuen Regeln in Kraft traten, war noch von rund 20 evangelischen Kirchenasylen in Niedersachsen die Rede.

Überwiegend suchten Erwachsene in Kirchengemeinden Schutz vor einer Abschiebung, in wenigen Fällen auch Kinder, hieß es. Häufig vertreten seien Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und dem Irak sowie aus Eritrea, Somalia, dem Sudan und der Elfenbeinküste. Es handele sich fast ausschließlich um sogenannte Dublin-Fälle. Die katholische Kirche sprach auf Anfrage von landesweit sechs Kirchenasylen mit Menschen aus dem Irak.

Die Dublin-Regelung besagt, dass der Staat, in dem ein Flüchtling erstmals den Boden der EU betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. Reist der Asylsuchende weiter, etwa nach Deutschland, kann er innerhalb von sechs Monaten wieder in den Ersteinreisestaat zurückgeschickt werden. Verstreicht die Frist, ist auf Antrag der andere Staat zuständig. In Deutschland übernimmt dann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylfall.

Bis zu 18 Monate im Kirchenasyl

Nach den neuen Regelungen müssen Gemeinden damit rechnen, dass ein Kirchenasyl unter Umständen bis zu 18 Monate dauern kann. In dieser Zeit müssen sie also anderthalb Jahre lang für Unterkunft und Verpflegung der Asylsuchenden aufkommen.

Dies verunsichere sowohl die Flüchtlinge als auch ihre deutschen Unterstützer, sagte Hildegard Grosse vom Ökumenischen Netzwerk „Asyl in der Kirche“ in Niedersachsen. In den vergangenen Jahren habe sie mehrmals pro Woche Anrufe mit der Bitte um die Vermittlung eines Kirchenasyls erhalten, sagte Grosse dem epd. „Zurzeit erlebe ich solche Anrufe nur noch drei- bis fünfmal im Monat.“

Es sei schwierig, Gemeinden zu finden, die bereit seien, sich für Asylsuchende einzusetzen, bilanzierte Grosse. „Hoffnung macht, dass es doch immer wieder Menschen gibt, denen es gelingt, einen Kirchenvorstand zu einem Mehrheitsbeschluss zu bewegen.“

Stille Übereinkunft

Die Schutzsuchenden knüpfen an eine uralte Tradition an: Schon zu biblischen Zeiten und in der frühen Kirche flüchteten Menschen in Kirchen und an heilige Stätten, um sich dem Zugriff von Verfolgern zu entziehen. Sie unterstellten sich damit dem Schutz Gottes – Militär und Polizei akzeptierten dies.

Heute hat der Staat im Unterschied zum Mittelalter das Gewaltmonopol, rechtsfreie Räume gibt es nicht. Das Kirchenasyl beruht daher auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat, an die sich beide Seiten in der Regel gebunden fühlen. Gleichwohl sind auch Fälle bekannt, in denen die Polizei ein Kirchenasyl beendet hat. Verlässt ein Schutzsuchender die kirchlichen Räume, so riskiert er, von der Polizei aufgegriffen zu werden. (epd)