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WDR-Chefredakteur: Wir brauchen mehr Perspektiven in den Redaktionen

WDR-Chefredakteur Stefan Brandenburg wünscht sich mehr Mut in den Medien, von Rechtspopulisten besetzte Themen aufzugreifen. „Das Narrativ, dass man Dinge nicht benennen darf, gefährdet die Demokratie“, schreibt Brandenburg in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „Die Zeit“. „Wir brauchen Multiperspektivität auch da, wo es wehtut“, forderte der Leiter des Programmbereich Aktuelles.

Laut Brandenburg befördern Medien das Geschäftsmodell von Hetzern und Demagogen gerade dann nicht, wenn sie Probleme benennen. Es werde befördert, wenn Journalistinnen und Journalisten nicht so genau hinsehen.

Als ein Beispiel nannte der WDR-Journalist die Berichterstattung nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres: „Hat uns überrascht, wie viel Antisemitismus in bestimmten Communitys gepflegt wird? Wie indifferent, wie doppelzüngig Funktionäre damit umgehen? Wohl kaum. Aber wir haben es vor dem 7. Oktober nicht ausreichend benannt.“

Als Gegenbeispiel verwies Brandenburg auf die Skandale im Erzbistum Köln. Diese seien „mit Akribie und Leidenschaft aufgearbeitet“ worden. „Die Scheinheiligkeit der Kirche benennen, den unerträglichen Widerspruch zwischen Reden und Handeln aufzeigen, darauf konnten wir uns schnell verständigen. Heuchelei entlarven, das müssen wir allerdings hier wie dort, egal ob es ums Erzbistum geht oder um einen Moscheeverband“, forderte er.

Als einen Grund für fehlende Perspektiven sieht Brandenburg die Zusammensetzung der Redaktionen: „Wir sind uns zu ähnlich. In unserer Herkunft, in unserer Ausbildung, in Wohnorten und Lebensweise. Und wir gleichen uns noch weiter an, wenn wir nichts dagegen tun.“ Das führe zu einem wohligen Gefühl, „sich einig zu sein, auf der richtigen Seite zu stehen“, analysierte der WDR-Chefredakteur in der am Mittwoch erschienenen „Zeit“-Ausgabe und schlussfolgerte: “Wir brauchen aber Perspektivenvielfalt auch da, wo es schmerzhaft wird. Und selbst da, wo die Frage nicht weit ist: Nutzt dieses Thema nicht der AfD?