Was Kirche und Fußball gemeinsam haben

Es gibt viele Parallelen, sagt der Kirchenhistoriker Hermann Queckenstedt, im Nebenamt Präsident eines Fußball-Clubs. Sogar die Gesänge würden sich ähneln.

Kirche und Fußball – für beides sollte man Begeisterung mitbringen
Kirche und Fußball – für beides sollte man Begeisterung mitbringenepd

Osnabrück. Der Kirchenhistoriker und Fußballpräsident Hermann Queckenstedt hat zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft an die Priester und Pastoren appelliert, sich von der Begeisterung in den Stadien anstecken zu lassen. Der Fußball gebe den Menschen etwas, das die Kirche heute oft nicht mehr zu bieten habe, sagte der Kurator der 2010 entwickelten Ausstellung "Im Fußballhimmel und auf Erden" dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Fans suchen in den Stadien vor allem die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und große Gefühle." Die EM in Frankreich beginnt an diesem Freitag.
Die Kirchen sollten sich bewusstmachen, dass viele Abläufe bei einem Fußballspiel christlichen Ritualen ähnelten, erläuterte Queckenstedt. Er ist Direktor des Osnabrücker Diözesanmuseums und Präsident des Drittligaclubs VfL Osnabrück. Zu Bundesliga-Saisonzeiten sei der sonnabendliche Gang ins Stadion für die Fans der Höhepunkt der Woche. "Früher war das für sehr viel mehr Menschen der Sonntagsgottesdienst. Dort trafen sie verlässlich Freunde und Nachbarn, mit denen sie nachher zum Frühschoppen zusammenblieben."

Kirche kann vom Fußballkult lernen

Der Historiker vergleicht den Einzug der Spieler ins Stadion mit dem der Priester und Messdiener in eine katholische Messe, die Fangesänge mit Kirchenliedern. Die Kommunikation zwischen Stadionsprecher und Publikum unterliege ähnlichen Regeln wie zwischen Liturg und Gottesdienstbesuchern.
Die Kirchen könnten auch vom Fußballkult lernen, betonte Queckenstedt. "Immerhin zeigt die Entwicklung doch auch, dass unsere Bilder und unser Glaube noch viel Kraft haben." Pfarrer sollten viel häufiger Anlässe schaffen für begeisternde Gemeinschaftserlebnisse. Sie sollten authentischer und mitreißender über ihren Glauben sprechen. "Im Stadion können sie erleben, wie Gemeinschaft wirklich geht."
Durchgeschwitzte Trikots und Autogramme hätten bei vielen Fans mittlerweile Reliquien-Charakter. In vielen Wortspielen und -bildern fänden sich Analogien zur Religion, erläuterte der Vereinspräsident. Zu den berühmtesten zählten der "Fußballgott", der "heilige Rasen" oder die "Hand Gottes" des argentinischen Nationalspielers Diego Maradona. Für manch einen Fan sei der Fußball tatsächlich sinnstiftend und eine Art Ersatzreligion. So sei wohl auch der Ausspruch eines BVB-Anhängers in Dortmund zu verstehen: "Ich seh‘ Stadion als meine Kirche."

Auswüchse bis zur Gotteslästerung

Tatsächlich gebe es auch Skurrilitäten und Auswüchse bis hin zur Gotteslästerung. Dazu zählten etwa das Gebet "Schalke unser" und eine VIP-Loge auf St. Pauli im Stile eines Altarraums. In Argentinien feierten Fans in der "Kirche Maradonas" am Geburtstag ihres Idols das Weihnachtsfest. "Aber auch darüber sollten wir nicht jammern, sondern produktiv damit umgehen", riet Queckenstedt.
Dabei ist die Grenze für den Fußballfan und Bistumsmitarbeiter völlig klar: "In letzter Konsequenz, im Angesicht des Todes kann Fußball nie sinnstiftend sein." Das sei auch vielen Fans nach dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke 2010 klargeworden. "Fußball ist für mich Freizeitgestaltung. Der christliche Glaube gibt meinem Leben einen Rahmen, Halt, Sinn und eine Perspektive." (epd)
Wie gibt der Glaube an Gott Jürgen Klopp oder Lukas Podolski Halt, im Leben und auf dem Fußballplatz? Gedanken von Fußballern dazu gibt es während der EM auf unserer Facebook-Seite.