Was Fußball und Religion gemeinsam haben

Wenn der DFB-Pokal aussieht wie ein Kelch zum Abendmahl: Eine Ausstellung in Bremen widmet sich dem Verhältnis von Fußball und Religion. Dabei sind die Parallelen größer, als man denkt. Von Ralf-Thomas Lindner

Vor dem Finale im DFB-Pokal 2014 feiern die Fans der Gegner Dortmund und Bayern einen gemeinsamen Gottesdienst
Vor dem Finale im DFB-Pokal 2014 feiern die Fans der Gegner Dortmund und Bayern einen gemeinsamen GottesdienstRolf Zöllner / epd

Bremen. Ein Kreißsaal in den Farben von Borussia Dortmund, ein Altar für Diego Maradona, ein Grabstein mit dem Logo von Schalke 04, ein kleines Stück vom Rasen des Weltmeisterschaftsfinales in Berlin 2006 – für die Ewigkeit in Kunstharz konserviert: Fußball prägt das Leben, gibt Inhalt und stiftet Sinn. Fußball begleitet das Leben, ist das Leben der Fans, tagein und tagaus, Jahr für Jahr. Wenn der eigene Verein auf dem Feld ist, dann sind seine Anhänger persönlich beteiligt – bibbern und zittern, weinen und jubeln. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt.
Die Ausstellung „Fußball. Halleluja!“ im Bremer Focke-Museum nimmt sich der lebensbegleitenden und lebensbestimmenden Bedeutung dieser Sportart an. Im Mittelpunkt steht dabei die komplexe Beziehung zwischen Fußball, Religion und Gesellschaft.

Fanliebe erinnert an Heiligenverehrung

In elf Themenbereichen werden die Welt um den Fußball, die Fußballer, die Fans und ihre Beziehungen untereinander beleuchtet. Der Fußball kennt seine eigenen Rituale, der Stellenwert mancher Fußballstars im Leben der Fans erinnert an Heiligenverehrung. Welchen Werten fühlt sich der Fußball verpflichtet? Die Ausstellung erklärt die Rolle des Fußballs als gesellschaftlichen Klebstoff, fokussiert seine Fähigkeit, unterschiedlichste Menschen zusammenzubringen. Auch Trennendes wird angesprochen: etwa die sozialen Hierarchien in den Stadien – und Rivalitäten zwischen Vereinen, die besonders in Städte- und Revierderbys deutlich werden. Mit dem Ausblick, wie Sport kommerzialisiert und von der Politik instrumentalisiert wird, werden auch die Kehrseiten dieses Sports offenbar.
Woher kommt die Begeisterung für dieses Spiel, für die 90 Minuten auf dem Platz und das Rahmenprogramm von Spielen, Meisterschaften, Fankultur? Was suchen die Fans, sowohl „Schönwetter-Fans“ als auch die „echten“? Was bieten die Fußballer und ihre Vereine? Menschliche Gemeinschaft, gemeinsame Interessen, gemeinsames Feiern, bis hin zum gemeinsamen Leiden. Keiner Sportart ist es je gelungen, sich über soziale Unterschiede, über Sprache, Hautfarbe und Herkunft hinaus so sehr als integrative Institution und Kraft darstellen zu können. Nur wenige menschliche Vereinigungen zeigen aber auch nach außen hin so deutlich ihre Zugehörigkeit zu ihrer Gruppierung, ihrem Verein.

Kondom in Vereinsfarben

Die Symbole und Insignien dafür sind vielfältig, von der Kluft des Vereins über den Fanschal bis hin zur Fahne und zum Tattoo. Aber auch Gebrauchsgegenstände: Zahnbürste und Kondom in Vereinsfarben, der Toaster, der das Logo des Vereins auf die Brotscheibe brennt, Kleidung und Bettwäsche.
Und dann immer wieder diese sprachliche, inhaltliche und geschöpfliche Nähe zum Himmlischen, zum Religiösen. Fast ist man an Rudolf Ottos Definition des Heiligen erinnert, wenn man Fußballfans in entscheidenden Spielphasen sieht – zwischen fascinosum und tremendum. Sie stehen auf ihren Rängen, folgen dem Ball mit den Augen, hoffen und beten, dass er den Weg ins gegnerische Tor findet. Anspannung, die sich explosionsartig aus Tausenden von Kehlen entlädt: Tooooor!

Gebete für Fußballgötter

Fans: Sie beten ihre Fußballgötter an – in den monströsen Kathedralen dieses Sports. Sie versuchen mit reliquienartigen Gegenständen das Glück auf ihre Mannschaft zu beschwören, Voodoo-Puppen sollen den Gegner außer Gefecht setzen, Glücksbringer sind ständiger Begleiter – wie Heiligenbildchen. Das Highlight: das Derby – zwei Mannschaften aus einer Stadt, einer Region. Ein Heiliger Krieg – vielleicht nur, um sich aneinander zu messen, bis hin zur offenen Feindschaft.
Wie heißt es in der BVB-Hymne: „wer uns in unserem Stolz verletzt, der macht das nur einmal“. Und das Höchste – das Ziel allen fußballerischen und menschlichen Strebens: die Meisterschale, die an eine Patene erinnert, und der Pokal, der in der Ausstellung einem Abendmahlskelch gegenübergestellt wird.
Gemeinschaft eint

Religion und Sport

Existenzielle Fragen – sie sind zentrales Thema der Religion – bleiben viele und ihnen im Fußball nachzuspüren, dazu regt die Ausstellung an. Gemeinschaft ist eines der zentralen Themen der Religionen – aber eben auch der Segen, die Vergebung der Sünden oder die Auferstehung der Toten im Christentum. Was ist es im Fußball, was bietet der Fußball den Menschen – über die Gemeinschaft hinaus?
Selten ist es einer Ausstellung so gut gelungen, diese Parallelen herauszuarbeiten. Es ist eine Ausstellung für alle, eine Familienausstellung – die große Familie der Fußballer: für Kleine (Fußballparcours) und Große, für Inländer und Ausländer, für Junge (Pinterest #footballmoments) und Alte (damals – die WM 1954, 1974, 1990, 2010).
Info
Die Ausstellung ist im Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte (Focke-Museum) noch bis zum 28. März 2016 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Die Termine für die öffentlichen Führungen (auf Deutsch, Englisch oder Französisch) sowie für satirische Führungen mit Pago Balke findet man unter www.focke-museum.de.