Einsamkeit und Krisen: Psychische Gesundheit ist ein Riesenthema. Zugleich warten viele Menschen zu lange auf Hilfe. Der Koalitionsvertrag greift das auf – doch Fachleute fordern, dass auch wirklich gehandelt wird.
Bessere Bedarfsplanung auf dem Land, eine gesicherte Fachausbildung in der Psychotherapie und mehr vorbeugende Angebote zur mentalen Gesundheit: Diese Themen aus dem Koalitionsvertrag muss die neue Bundesregierung nach Worten von Fachleuten rasch angehen. Die Behandlung erkrankter Menschen lasse sich nicht beliebig verdichten, sagte die Psychotherapeutin Sabine Maur am Donnerstag in Berlin. Dort läuft bis Freitag der Deutsche Psychotherapie-Kongress, an dem rund 1.500 Fachleute teilnehmen.
Eine bessere Steuerung von Psychotherapie-Terminen, etwa über digitale Tools, sei daher sinnvoll, genüge allein aber nicht, fügte die Vorsitzende der rheinland-pfälzischen Landespsychotherapeutenkammer hinzu. Psychosoziale Versorgung und Prävention müssten “richtig gut” werden, denn nicht alle Krisen könnten in Psychotherapien aufgefangen werden.
Die CDU-Politikerin Simone Borchardt warb für innovative Lösungen: So sei es in Großbritannien inzwischen möglich, älteren Menschen etwa Kochkurse gegen Einsamkeit zu verschreiben. Im Koalitionsvertrag, der am Mittwoch vorgelegt worden war, komme ihr Prävention “fast zu wenig vor”. Dabei sei es entscheidend, Menschen beispielsweise vor einer belastenden Informationsflut zu schützen und die Folgen der Corona-Zeit für die junge Generation aufzuarbeiten. Vorbeugung sichere die Zukunft, betonte die Gesundheitswissenschaftlerin.
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung, Gebhard Hentschel, pochte auf eine angemessene Versorgung von Kindern und Jugendlichen: Damit sie wohnortnah sei, brauche es eine eigene Bedarfsplanung. Er warnte zudem vor “Drehtüreffekten”, wenn Therapien frühzeitig und ohne Erfolg abgebrochen würden.
Zuvor hatte die Bundespsychotherapeutenkammer eine “neue Priorisierung von Mental Health” im Koalitionsvertrag gewürdigt. Es sei richtig, dass die Bundesregierung die Weiterbildung von Psychotherapeutinnen und -therapeuten sichern wolle, um Fachkräftemangel zu verhindern. Dies bezeichnete auch Maur als dringend, da heutige Studierende sich “in einer dramatischen Situation” wiederfänden.
Wer nach einem Psychologie-Studium in der Therapie arbeiten möchte, muss eine entsprechende Weiterbildung anschließen. Aufgrund fehlender Finanzierung hatten dafür zuletzt Plätze gefehlt.