Was die Arche Noah mit der Pandemie zu tun hat

Kein Kirchentag ohne Bibelarbeiten – das gilt auch diesmal. Und in der Pandemie lassen sich unschwer auch aktuelle Bezüge in alten Bibeltexten entdecken.

So war es beim Kirchentag 2017: Margoßt Käßmann gibt ein Interview nach ihrer Bibelarbeit
So war es beim Kirchentag 2017: Margoßt Käßmann gibt ein Interview nach ihrer BibelarbeitJens Schlüter

Frankfurt. Zu den festen Größen von Kirchentagen gehören seit vielen Jahren die Bibelarbeiten: Die drei „Arbeitstage“ der Christentreffen beginnen mit einem biblischen Impuls, die vorgegebenen Texte werden von professionellen Predigern ebenso wie von Politikern oder Prominenten aus Kultur und Gesellschaft ausgelegt – nicht selten mit überraschenden Wendungen. Längst haben auch die Katholikentage dieses Modell der evangelischen Kollegen übernommen – und natürlich die beiden bisherigen bundesweiten Ökumenischen Kirchentage (ÖKT).

Das ist auch diesmal so und doch anders: Die Bibelarbeiten werden nicht live vorgetragen, sondern sind dezentral ohne Publikum aufgezeichnet und stehen auf der ÖKT-Homepage zum Abrufen bereit. Mit Ausnahme der drei christlich-jüdischen Bibelarbeiten am Freitag sind alle 22 anderen Auslegungen auf den Samstag gelegt, den Haupttag des diesjährigen ÖKT.

Aus der biblischen Urgeschichte

Dennoch gibt es auch diesmal drei Texte aus der Bibel zur Auswahl, die dem Kirchentags-Leitwort „schaut hin“ unterschiedliche Perspektiven geben: Es handelt sich um die Erzählung von der Heilung eines Blindgeborenen aus dem Johannesevangelium, einen Abschnitt aus der Sintflut-Erzählung aus der biblischen Urgeschichte mit dem Noah-Bund sowie um den Bericht aus dem Lukasevangelium über die Frauen am leeren Grab Jesu.

Prominente Politiker dabei

Zu den Prominenten aus der Politik, die sich mit den Texten auseinandersetzen, zählen die soeben wiedergewählte rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) – beide auch aktives und ehemaliges Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken – sowie in einer Dialogbibelarbeit die Landeschefs Bodo Ramelow (Linke, Thüringen) und Volker Bouffier (CDU/Hessen).

Kostia / Fotolia

Dreyer (Johannesevangelium) und Kretschmann (Sintflut) setzen sich detailliert mit ihren Texten auseinander. Kretschmann kann dabei auch einen aktuellen Bezug zum Klimawandel herstellen. Wer sich dagegen von Ramelow und Bouffier eine vielleicht sogar kontroverse Diskussion erhofft, wird enttäuscht. Der Thüringer spricht vor einem Bild der Wartburg über die heilige Elisabeth und Martin Luther und lädt zum Katholikentag 2024 nach Erfurt ein; auch bei Bouffier bleiben die Bezüge zum Bibeltext eher allgemein.

Nicht fehlen dürfen bei Bibelarbeiten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und seine Vorvorgängerin Margot Käßmann. Der Präsident des Lutherischen Weltbunds, Erzbischof Panti Filibus Musa, spricht auf Englisch und bringt die weltweite Perspektive ein. Eine Dialogbibelarbeit machen auch der katholische Bischof von Fulda, Michael Gerber, und die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann.

Eine echte „Quarantänegeschichte“

Bedford-Strohm fällt auf, dass die Geschichte von Noah in der Arche auch als „Quarantänegeschichte“ gelesen werden könne, und schlägt den Bogen zur aktuellen Pandemie-Lage. Und er stellt die Frage: „Warum lässt Gott diese Katastrophen zu?“ Gott fahre nicht herab wie der Göttervater Zeus und schaffe Ordnung, so der bayerische Landesbischof. „Manchmal würden wir so sehr darauf hoffen, und wenn es nicht geschieht, zweifeln wir an Gottes Existenz, weil er gerade diese Erwartung schmerzhaft enttäuscht.“ Am Ende der Sintflutgeschichte stehe aber „nicht das Verderben, sondern das Leben“.


Mehr zum Kirchentag
Der „kleine Kirchentag von Pinneberg“ – ökumenische Gruppe im Norden feiert
Ökumenische Spielräume – gemeinsames Abendmahl geplant
Worum es beim Kirchentag geht und wie Sie dabei sein können
Kirchentag in luftiger Höhe eröffnet


Der evangelisch-methodistische Bischof Harald Rückert richtet den Blick darauf, dass Gottes Fürsorge in dieser Geschichte einem Einzelnen oder Wenigen gilt: „Über ihn beziehungsweise über sie soll die ganze Schöpfung eine neue Gestalt annehmen.“ Als weitere Beispiele dafür nennt er den Apostel Paulus und die antike Geschäftsfrau Lydia, Martin Luther und seine Ehefrau Katharina von Bora, John Wesley und seine Mutter Susanna Wesley, Friedrich von Bodelschwingh, Ruth Pfau, Mutter Teresa und Martin Luther King. „Gott ruft immer wieder einzelne Menschen, um seine neue Welt zu schaffen.“

Und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf weist in seiner Deutung des Johannesevangeliums darauf hin: „Es ist stimmig, wenn am Ende die wenigstens scheinbar Rechtgläubigen als die Blinden entlarvt werden. Ihnen fehlt sowohl die Liebe zum konkreten Menschen als auch die Liebe zu Christus, in dem Gottes Liebe konkret wird. Beides gehört zusammen, wenn wir richtig sehen wollen.“ (KNA)