Warum sich so viele Flüchtlinge taufen lassen

Sie sind vom Islam enttäuscht und wollen Christ werden. In Schleswig-Holstein steigt die Nachfrage nach Glaubenskursen. Für die Gemeinden bringt das auch Probleme mit sich. Von Nadine Heggen

Die Taufe ist das zentrale Ritual des Christentums (Symbolbild)
Die Taufe ist das zentrale Ritual des Christentums (Symbolbild)Rainer Oettel / epd

Wrist. Die große Nachfrage hat Gritta Koetzold überrascht. Die Pastorin aus Wrist im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf hat im vergangenen Jahr bereits Taufkurse für Flüchtlinge angeboten, die vom Islam zum Christentum übertreten wollten. Zwischen 8 und 15 Iraner und Afghanen besuchten ihre Kurse, die meisten kamen aus Wrist, wo sie eine dauerhafte Bleibe gefunden hatten. Anfangs konnte die 45-Jährige die Kurse mit maximal 15 Flüchtlingen noch im Esszimmer ihres Pastorats abhalten.
Doch seit etwa neun Wochen häufen sich die Anfragen an die Pastorin. Ihre Liste umfasse inzwischen 35 Menschen, die „lieber heute als morgen Christ werden wollen“, so Koetzold. Fast täglich kommen weitere hinzu. In erster Linie hängt die Zunahme mit der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im nahen Kellinghusen zusammen, die im Sommer 2015 eröffnet wurde. Gritta Koetzold hält in der dortigen Kirchengemeinde mit einer Viertel-Pfarrstelle ebenfalls Gottesdienste ab.

Lückenlose Anwesenheit ist Pflicht

„Für iranische und afghanische Flüchtlinge ist es typisch, dass sie eine enge Bindung zu dem Menschen eingehen, der ihnen in der Fremde als Erster freundlich begegnet. In diesem Fall war ich das“, so Koetzold. Sie sucht nun mit ihren Kollegen nach Lösungen, um der großen Nachfrage gerecht zu werden. „Einerseits freue ich mich, dass so viele Menschen Teil unserer Kirche werden wollen. Andererseits hat auch die deutsche Gemeinde Anspruch auf meine Präsenz.“ Manche Gemeindemitglieder seien verunsichert, weil sich die Gemeinde durch die Asylbewerber verändert. „Das muss ich auch im Blick behalten.“
Hinzu kommt, dass die Pastorin den Anspruch an ihre Taufkurse nicht herunterschrauben möchte. Bei dem über zehn Wochen gehenden Glaubensseminar erwartet sie lückenlose Anwesenheit. Pro Woche lernen die Flüchtlinge eineinhalb Stunden lang die Grundelemente der christlichen Tradition kennen. Sowohl die Pastorin als auch einige Flüchtlinge sprechen Englisch, viele allerdings nicht. Da ist Improvisation gefragt.
Im Vordergrund der Seminare steht für die Pastorin Lernen und Begegnung. All das erklärt sie den Flüchtlingen in einem Vorgespräch. „Sie müssen wissen, dass der Übertritt Aufwand erfordert. Darauf reagieren viele überrascht. Trotzdem sind bisher alle, die sich angemeldet hatten, auch gekommen. Manche sind besonders wissbegierig und haben sogar drei Taufkurse hintereinander absolviert“, sagt Koetzold. Dennoch könne sie nicht ausschließen, dass manche Asylbewerber sich von der Taufe ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhoffen. Sie klärt sie vorab darüber auf, dass es sich eher nachteilig auf ihr Verfahren auswirken kann, wenn sie kein schlüssiges Argument für ihre Konversion vorweisen können.

Eine sinnstiftende Alternative

Die meisten kämen jedoch in den Kurs, weil sie in ihrer Heimat einen Islam kennengelernt hätten, der sie unterdrücke, bedrohe und Frauen misshandle. „Deshalb ist ihre Sehnsucht nach einer sinnstiftenden Alternative groß“, sagt Koetzold.
Auch viele andere Kirchengemeinden im Land bieten Taufkurse für Flüchtlinge an. So startete in Kiel-Holtenau in der vergangenen Woche ein Glaubenskurs für Arabisch sprechende Flüchtlinge mit einem syrischen Studenten als Übersetzer. In Neumünster, wo die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber schon seit mehreren Jahren besteht, hat sich die Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde früh auf Flüchtlingsarbeit eingestellt. „Wir haben in Altholstein noch keinen großen Ansturm zu verzeichnen. Eine verstärkte Nachfrage kann es aber geben, wenn sich über soziale Netzwerke verbreitet, dass es dieses Angebot gibt“, sagt Altholsteins Flüchtlingsbeauftragte Susanne Danhier.
Im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde ist die Nachfrage auch nicht ungewöhnlich groß, Glaubenskurse für Flüchtlinge finden bisher nur vereinzelt statt. „Im Gesamtpastorenkonvent im vergangenen September wurde über diese Glaubenskurse für Flüchtlinge gesprochen. Eine Idee war, die Kurse künftig gebündelt anzubieten. Darüber werden noch weitere Gespräche stattfinden“, sagt Walter Wiegand, Flüchtlingsbeauftragter im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde.