Warum man beim Singen zu Weihnachten aufpassen sollte

Ansteckende Schwebeteilchen werden beim Singen viel stärker ausgestoßen als beim Sprechen. Das sagt der Experte Eckart Altenmüller. Auch 20 Meter Entfernung könnten nicht ausreichen.

Chöre aus dem ganzen Norden singen in Schwerin (Symbolbild)
Chöre aus dem ganzen Norden singen in Schwerin (Symbolbild)Stefan Arend / epd

Hannover. Der Musik-Mediziner Eckart Altenmüller aus Hannover rät angesichts der Corona-Pandemie zur Vorsicht beim gemeinsamen Singen in der Advents- und Weihnachtszeit. Neuere Untersuchungen hätten ergeben, dass Coronaviren vor allem über Schwebeteilchen in der Luft übertragen würden, sogenannte Aerosole, sagte Altenmüller dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine geringere Rolle spiele dagegen die Übertragung über Kontaktflächen. Aerosole würden beim Singen noch sehr viel stärker ausgestoßen als beim Sprechen, mahnte der Medizin-Professor: „Wir müssen an Weihnachten aufpassen.“

Die Forschung habe inzwischen herausgefunden, dass nicht alle Aerosole gleichermaßen gefährlich seien, erläuterte der Wissenschaftler. Um sich zu infizieren, müsse ein Mensch etwa 500 Viren einatmen. „Wir gehen davon aus, dass die ganz kleinen Aerosole zu klein sind, um diese Menge an Viren zu enthalten. Und dass die ganz großen Aerosole, die fast schon Tröpfchen sind, sehr schnell zu Boden sinken und dann auch nicht gefährlich sind.“ Gefährlich seien die mittelgroßen Aerosole – sie könnten viele Viren aufnehmen und lange in der Luft schweben. „Vermutlich ist es so, dass Superspreader mittelgroße Aerosole ausstoßen, eine ungünstige Anatomie aufweisen und eine hohe Viruslast in den Atemwegen haben.“

Wie beim Zigarettenrauch

Wer welche Aerosole produziere, hänge vom jeweiligen Körperbau ab, sagte Altenmüller, der an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover lehrt. Dabei spiele die Beschaffenheit der Lungen, der Luftröhre, des Kehlkopfes, der Stimmbänder, der Zunge und der Zähne eine Rolle. „Wir haben auch gelernt, dass Profi-Sänger weniger gefährlich sind, weil sie weniger Aerosole produzieren als Amateure.“ Aerosole können laut Altenmüller je nach Luftströmung sehr weit fliegen. „Das kann man sich so vorstellen wie beim Zigarettenrauch.“ Dieser sei auch in 20 Metern Entfernung noch zu riechen.

Gefährlich sei gemeinsames Singen in geschlossenen öffentlichen Gebäuden, wo sich Menschen aus verschiedenen Familien mischten, sagte der Mediziner. Deshalb sei Singen in Kirchen derzeit verboten. Unter freiem Himmel sei Singen dagegen möglich: „Das ist unbedenklich und sicher, wenn der Abstand eingehalten wird und ein Luftzug da ist. Aber da müssen Sie sich warm anziehen.“ Möglich sei auch das Singen zu Hause in der Familie, wenn Abstände eingehalten würden und zwischendurch gründlich gelüftet werde.

Masken schützen beim Singen

„Man kann einigermaßen unbesorgt singen, wenn man es schafft, dabei eine Maske zu tragen“, erläuterte der Professor. „Die FFP2-Maske hält 90 bis 95 Prozent der Aerosole zurück. Aber das ist natürlich kein richtiger Spaß.“ Alltagsmasken filterten immerhin noch 70 bis 90 Prozent der Aerosole heraus. Wann es Zeit sei, einen Raum zu lüften, lasse sich durch ein CO2-Messgerät ermitteln. Dieses zeige an, wie viel Ausatemluft mit Aerosolen sich im Raum befinde.

Chöre müssen sich laut Altenmüller noch gedulden. Gemeinsames Singen im Chor sei noch zu riskant. Frühestens im Frühjahr werde es wieder möglich sein: „Hoffentlich schon zu Ostern.“  (epd)