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Wahl-Blues – Warum manche nach der Wahl in ein Stimmungstief fallen

Der Wahlkampf 2025 verlief hitziger und angespannter als gewohnt, sagt Psychotherapeutin und Ärztin Mirriam Prieß. Sie rät zu Dialog und weniger überhöhten Erwartungen.

Wohlstand, Frieden, Freiheit: Wahlkampagnen malen eine idealisierte Zukunft und machen Menschen damit Hoffnungen. Nicht alle Wünsche aber lassen sich erfüllen. Nach Wahlkämpfen können Wählerinnen und Wähler deshalb in ein Stimmungstief fallen. Besonders für die Zeit nach der Bundestagswahl 2025 befürchtet Psychotherapeutin und Autorin Mirriam Prieß zunehmende Ängste. “Einen so emotionalen Wahlkampf habe ich bislang nicht erlebt”, erklärte Prieß im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) . “Menschen können sich danach ausgebrannt fühlen.”

Der Wahlkampf sei eine Zeit der Anspannung. “Normalerweise sollte auf Anspannung eine Entspannung folgen”, so Prieß. Wenn Menschen ihr persönliches Glück an überhöhte Erwartungen knüpften, drohe dagegen ein “Stimmungsabfall”. Entscheidend ist aus psychologischer Perspektive, wie ein Wahlkampf geführt wird und wie Politiker miteinander umgehen: “Unsere psychische Gesundheit hängt davon ab, dass wir gesunde Beziehungen pflegen und auf Augenhöhe im gleichberechtigten Dialog zueinander stehen”, sagte Prieß.

Ein gesundes Miteinander müsse deshalb auch im Bundestag vorgelebt werden, um Krisenzeiten gemeinsam durchzustehen. “2025 aber sahen wir einen übersteigerten, hochemotionalen Wahlkampf.” Das mache es für Wähler schwieriger, sich emotional abzugrenzen. “Oft ging es nicht mehr um die Sache.” Politiker seien sich in Selbsterhöhung begegnet – und nicht mehr in respektvollem Dialog. Wenn Politiker menschliche Werte nicht einhielten, wirke sich das besonders in gesellschaftlich instabilen Phasen auf die Bürger aus, so Prieß.

Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verzeichnete für Arbeitnehmer unter 50 Jahren noch Jahre nach der Corona-Pandemie vermehrte psychische Probleme. Bis heute beobachten Psychologen in der Bevölkerung stärkere Zukunftsängste als noch vor der Pandemie. Eine Mehrheit der Deutschen nimmt laut einer aktuellen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Jahr 2024 die Gesellschaft zudem in vielen Themen als polarisiert und gespalten wahr. Sie befürchtet darin eine Gefahr für die Demokratie. Besonders betroffen sind laut aktuellen Untersuchungen junge Wählerinnen und Wähler.

So befragte das Institut für Generationenforschung jüngst 16- bis 25-Jährige zu ihren Bedürfnissen und Sorgen. Die Ergebnisse offenbarten eine “Generation der Angst”: In einer Welt der Krisen und Unsicherheiten fühlten sich demnach junge Menschen heute gestresster und pessimistischer als frühere Generationen. Erstwähler machten sich vor allem Sorgen um den persönlichen Wohlstand und ihre Zukunftsperspektiven. Nur 9,3 Prozent der Befragten gab an, völlig sorgenfrei zu sein. Jeder sechste erklärte, dass eine Neuwahl das Einzige sei, was Zuversicht gebe.

An eine künftige Regierung stellen junge Menschen laut Studie überhöhte Erwartungen. Psychotherapeutin Prieß rät deshalb dazu, eigene Vorstellungen und Wahrnehmungen zu überprüfen. Um aus einem Stimmungstief herauszukommen, sei es wichtig, Konflikte gemeinsam aufzuarbeiten. “Menschen mit anderer Meinung sollten wir mit Respekt begegnen und in der Verschiedenheit Gemeinsamkeiten entdecken”, rät die Fachfrau. “Oft sind es dieselben Ängste, die uns bewegen, auch wenn unsere Entscheidungen unterschiedlich sein mögen.” Erst dadurch würden Kompromisse möglich. Bei Koalitionsgesprächen sei das nicht anders.