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“Vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis”

Wenn in diesen Tagen die wichtigsten Filmfestspiele der Welt beginnen, das Filmfestival von Cannes, steht ein Gewinner schon fest: Der US-amerikanische Produzent und Regisseur George Lucas wird die Goldene (Ehren-)Palme für sein Lebenswerk erhalten. Die Filmfestspiele werden genau an Lucas’ 80. Geburtstag eröffnet, am 14. Mai. Doch entgegennehmen wird er die Trophäe erst bei der Abschlusszeremonie, zu den Klängen der Musik von John Williams, wie das Festival mitteilte.

Williams schrieb die Musik – und vor allem die Titel-Fanfaren – zu den beiden Filmzyklen, die untrennbar mit dem Namen von George Lucas verbunden sind, der neunteiligen „Star Wars“-Saga und den mittlerweile fünf Filmen der „Indiana Jones“-Abenteuer. In beiden Zyklen verbinden sich Kinomythologie mit technischen Innovationen und einem Gespür für Entertainment.

Die „Indiana Jones“-Filme um den Archäologen mit dem Hut und der Peitsche, die mit „Jäger des verlorenen Schatzes“ 1981 begannen, kann man noch als Verbeugung vor den vielen Abenteurern des Kinos seit den 1930er Jahren sehen. Mit der „Star Wars“-Saga aber gelang Lucas die Erschaffung eines ganz eigenständigen Universums, das man so noch nicht gesehen hatte – selbst im erfindungsreichen Science-Fiction-Genre nicht.

Die Handlung folgt dem Ur-Erzählschema der Guten gegen die Bösen und David gegen Goliath. Sie zeigt eine futuristische Gesellschaft, in der man, wie Lucas einmal sagte, „mit Raumschiffen und Laserstrahlen gegen einen mit allen Knüppeln bewaffneten Gegner kämpfen muss“, wobei die Schwachen Sieger seien und die Technologie Verlierer bleibe.

Die „Star Wars“-Saga mit ihrem legendären Anfangstitel „Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …“ ist ein hoch artifizieller Mix aus Märchen und Ritterepos: Die Jedi genannten Figuren der Saga sind so etwas wie ein Ritterorden, von dem sich der „Böse“, Darth Vader, abgespalten hat.

Den Charme der ersten Trilogie um die drei Hauptfiguren Luke Skywalker (Mark Hamill), Prinzessin Leia (Carrie Fisher) und dem Abenteurer Han Solo (Harrison Ford) machen aber gerade die Nebenfiguren aus: die lustigen Roboter C-3PO und R2-D2, der Wookiee Chewbacca und natürlich der Jedi Yoda, Luke Skywalkers Lehrmeister, der gerne in Rätseln spricht in seiner seltsam verdrehten Sprache. „Keine Geduld hat der junge Mensch. Viel Zorn in ihm“, sagt er einmal über seinen Schüler.

Das Studio Twentieth Century Fox, das „Krieg der Sterne“ eher halbherzig produzierte, glaubte nicht an den Film. Er wuchs sich allerdings, nachdem er am 25. Mai 1977 in die US-amerikanischen Kinos gekommen war, zu einem gigantischen Erfolg aus und läutete die Ära der Blockbuster ein. In schneller Folge produzierte Lucas „Das Imperium schlägt zurück“ (1980) und „Die Rückkehr der Jedi Ritter“ (1983) mit anderen Regisseuren.

Natürlich ist die „Star Wars“-Saga auch eine Maschine zum Gelddrucken. Lucas selbst hatte kein hohes Regie-Honorar gefordert, sondern die Rechte am Merchandising, was zu einem milliardenschweren Geschäft wurde. Auch das hatte es in dieser Form zuvor in der Filmgeschichte noch nicht gegeben.

Um die Jahrtausendwende inszenierte Lucas selbst die sogenannte Prequel-Trilogie (Episode 1 bis 3), die den Aufstieg Anakin Skywalkers zum Oberbösen Darth Vader beschreibt und von der Kritik ziemlich verrissen wurde. Ab 2015 kam mit „Das Erwachen der Macht“ die sogenannte Sequeltrilogie ins Kino, mit der weiblichen Heldin Rey (Daisy Ridley). Damit hatte Lucas aber nichts mehr zu tun, er hatte 2012 seine Firma Lucasfilm an den Disneykonzern verkauft, für vier Milliarden Dollar. Insgesamt soll die „Star Wars-Saga“ zehn Milliarden Dollar eingespielt haben.

George Lucas, der an der University of Southern California Film studiert hatte, ist auch ein Pionier in Sachen kinematografischer Tricks. Für „Krieg der Sterne“ gründete er 1975 ein eigenes Studio für Tricktechnik, die Firma Industrial Light & Magic (ILM). Am Rechner erzeugte Bilder wurden später zu einem Schwerpunkt der Firma. Für mehr als 450 Filme hat sie die Effekte geliefert, von „Terminator 2“ über „Forrest Gump“ bis hin zum Monumentalepos „Napoleon“ (2024).

Dass Lucas überhaupt die „Star Wars“-Saga realisieren konnte, hängt auch mit dem überraschenden Erfolg seines zweiten Langfilms „American Graffiti“ (1973) zusammen. Autobiografisch inspiriert erzählt der Film vom letzten Abend einer Jungs-Clique, ein warmherziges Roadmovie, das im Jahr 1962 spielt, vor der Katastrophe des Vietnam-Kriegs. Gedreht wurde es im kalifornischen Modesto, wo Lucas als Sohn eines Schreibwarenhändlers zur Welt gekommen war. Mit seiner zweiten Frau und seiner Tochter lebt er noch heute in Kalifornien.

Für eine spätere Karriere empfohlen hatte er sich bereits mit seinem Erstling „THX 1138“. Darin führt er in eine in Weiß gehaltene Welt der totalen Überwachung ein: Es ist ein frühes und wildes Meisterwerk, vielleicht der beste Film von Lucas.