Vom Einklang

Über chaotisches Gewusel und den Sonntag Kantate schreibt Pastor Tilman Baier. Er ist Chefredakteur der Evangelischen Zeitung und der Kirchenzeitung MV.

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Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn.“ aus dem 2. Chronikbuch 5, 2-14

Vielleicht war es ja so: Der Auflauf war grandios. Jeder, der etwas auf sich hielt, war in die Hauptstadt zum Fest gekommen. Selbst die Führungskräfte aus der Provinz, die immer etwas zurückhaltend reagierten, wenn dort im neuen Zentrum des Landes wieder ein Prunkbau fertiggestellt wurde und die Anziehung der alten heiligen Stätten und damit ihre Macht schmälerte, waren angereist. Denn diesmal ging es um das neue Zentrum des Staates. Da musste man sich blicken lassen.

Nach Reichsgründung und Landgewinnen sollten nun auch die alten Nationalheiligtümer ein würdiges Zuhause bekommen. Allerdings meinten Kritiker, sie sollten eingesperrt und so unsichtbar gemacht machen. Denn zu sehr erinnerten sie an das frühere Leben der jetzigen Herren als herumziehende Parvenüs. Und es ging darum, mit der Stiftshütte und der Bundeslade auch Gott, der sich doch nicht fassen ließ, zum Einzug in diesen Prunkbau zu bewegen. Es wird erzählt, wie Salomo und das ganze Volk Israel darum unzählige Rinder und Ziegen opferten. Durch diese Todesschreie, durch dieses Chaos wurden nun die Heilig­tümer von den zum Tempeldienst bestimmten Priester und Leviten in den Bau hineingetragen. Am Altar waren Zimbel- und Harfenspieler aufgereiht, 120 Priester bliesen in die Hörner – es muss ein infernalischer Krach gewesen sein. Doch dann geschieht das Wunder: Es ist, als ob alle mit einer Stimme Gott lobten und mit einem Instrument musizierten. In dem Moment füllt Gott dieses Bauwerk mit seinem Atem und nimmt ihn damit als seine Wohnstatt, als seinen Tempel an.

Eine spannende Frage wirft unser Text auf und sie passt zu diesem Sonntag Kantate: Wird aus dem chaotischen Gewusel und Krach eines Staatsaktes mit Tausenden Mitwirkenden und Tausenden dahinter stehenden Interessen ein schöner, gemeinsamer Ton, ja, ein Gottesdienst, weil Gott kommt? Oder kommt Gott, weil die Menschen es doch noch schaffen, unter Anleitung ihrer Priesterkaste aus dem Krach und den vielen Eigeninteressen zu einem Gottesdienst und einem gemeinsamen Ton zu finden? Und: Wie ist das bei uns?

Unser Autor
Pastor Tilman Baier ist Chefredakteur der Evangelischen Zeitung und der Kirchenzeitung MV.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.