Verschlüsselte Botschaften

Die Farben auf historischen Landkarten sagen mehr über politische, wirtschaftliche oder religiöse Zusammenhänge aus, als sich auf den ersten Blick erschließt. Die Ausstellung „Farbe trifft Landkarte“ im Hamburger Museum am Rothenbaum nähert sich dem an.

Kuratorin Diana Lange erläutert die Wutaishan-Landkarte
Kuratorin Diana Lange erläutert die Wutaishan-LandkarteJulia Reiß

Hamburg. Mit verschlüsselten Botschaften auf Landkarten beschäftigt sich die neue Ausstellung „Farbe trifft Landkarte“ im Hamburger Museum am Rothenbaum (Markk). Die Schau ist noch bis zum 30. Januar zu sehen. Die nachträgliche Kolorierung könne Aufschluss geben über politische Zugehörigkeit, bestimmte Weltsichten, koloniales Eindringen oder wirtschaftliche Aspekte, sagte Direktorin Barbara Plankensteiner. In einem dreijährigen Forschungsprojekt mit der Universität Hamburg wurden Landkarten aus dem 15. bis 20. Jahrhundert betrachtet. Neben Symbolik und kultureller Bedeutung wurde auch die materielle Zusammensetzung, die Herstellung und der Handel mit Farben untersucht.

Karten bilden geografische Räume verkleinert ab, so Plankensteiner. Nachträglich aufgetragene Farben verleihen ihnen dann zusätzliche Informationen. Die seien teilweise so detailliert, dass eine Karte „es durchaus mit modernen GPS-Vermessungen aufnehmen kann“. Ein Beispiel dafür sei das Herzstück der Ausstellung, eine überdimensionale Karte Koreas von 1861. Für das Forschungsprojekt wurden Karten von Europa aus dem Bestand des Markk sowie ostasiatisches Material aus dem Hanseatischen Wirtschaftsarchiv in Hamburg herangezogen.

Wie das „Berliner Blau“ entstand

Die Exponate seien vor allem darauf hin untersucht worden, welche Farbmittel verwendet wurden und woher die Koloristen um die Farbmittel wussten, sagte Susanne Knödel, Leiterin des wissenschaftlichen Teams am Markk. In Vitrinen werden die Rohstoffe präsentiert, aus denen die Farbpigmente gewonnen wurden.

Die violettroten Teile einer Hamburg-Karte von 1702 etwa wurden in Karmin eingefärbt. „Karmin wurde aus getrockneten Schildläusen gewonnen, die extra dafür kultiviert wurden“, so der Mineraloge Peter Zietlow. Sie wurden zu Millionen gezüchtet, ursprünglich nur in Mexiko, und global gehandelt. Leuchtendrotes Zinnober wurde bergmännisch aus dem Heilstein Zinnober gewonnen, Ultramarin aus Lapislazuli, und „Berliner Blau“ entstand durch ein Versehen aus Kalisalz plus Eisensulfat.

Deutliche Wasserspuren

Auch religiöse Wirkungsstätten wurden häufig farblich markiert. Die „Gesamtansicht der heiligen Stätten des Wutai­shan“ aus der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zeigt eine bedeutende Pilgerstätte für Buddhisten in China. „Sie strotzt vor religiösen Elementen“, sagte Diana Lange, Tibetologin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Markk sowie eine der drei Kuratoren der Ausstellung. Die Karte ist komplett bedeckt mit Klöstern und buddhistischen Kultbauten – die kaiserlichen etwa wurden in gelb hervorgehoben. Außerordentlich farbenfroh seien die Figuren, meist Götter, die vom Kartografen teils auf das Dach gesetzt wurden. „In der Realität stehen sie natürlich im Gebäude – aber dort sieht man sie ja nicht.“ Lange vermutet, dass die detailreiche Karte von einem reichen Pilger in Auftrag gegeben wurde.

Der Zustand der verwendeten Karten sagt teilweise auch etwas über deren Geschichte aus: Einige Exponate zeigen deutliche Wasserspuren – sie lagerten in der Bibliothek des Hanseatischen Wirtschaftsarchivs, die während des „Hamburger Feuersturms“ 1943 brannte.