Verrückt nach Kirchenglocken

Erik Mannow ist zwölf Jahre alt und hat ein außergewöhnliches Hobby, für das er sich auch schon mal in Gefahr begibt: Er nimmt das Läuten von Kirchenglocken auf.

Kirchenglocken aller Art haben es Erik Mannow angetan
Kirchenglocken aller Art haben es Erik Mannow angetanJens Schulze / epd

Boksee. Wenn Erik Mannow durch einen Ort schlendert und Kirchenglocken hört, wird er ganz aufgeregt und muss sofort in ihre Richtung laufen. „Ich interessiere mich seit ungefähr zwei Jahren brennend für Kirchenglocken“, sagt er. Seitdem nimmt der Zwölfjährige das Läuten von Glocken auf und sammelt die Klänge. Mehr als 100 hat er bereits beisammen.

Angefangen habe seine Begeisterung in Kirchbarkau bei Kiel. Die St.-Katharinen-Kirche lag direkt neben seiner Grundschule. Eines Tages sei er schließlich zum Gottesdienst gegangen – „nur um mir die Glocken anzuhören“, erzählt Erik Mannow aus Boksee südlich von Kiel. Wenn er gefragt wird, was ihn an den Glocken fasziniert, kann er sofort mehrere Kirchglocken aufzählen, die ihn besonders beeindruckt haben. So zum Beispiel der Klang der Auferstehungsglocke der Kieler St.-Nikolai-Kirche. „Die ist so groß, da kann man sich in die Glocke reinstellen. Das ist schon gigantisch“, berichtet er begeistert. Besonders schön sei auch der Klang von „Glocke vier“ in der St.-Marien-Kirche in Flensburg, die aus dem 12. Jahrhundert stamme.

Sonderläuten für Erik

Mit Stativ, Ohrenschutz, Kamera und Mikrofon ausgestattet versucht er, nach oben in den Kirchturm zu gelangen. „Wenn die Glocken anfangen zu läuten, stelle ich mich in die Glockenstube und halte die Kamera drauf“, sagt Erik Mannow. Informationen zu den Kirchen und Termine zum Aufnehmen verschafft sich der Junge selbst. „Ich rufe dann bei der Kirche an und frage, ob ein Sonderläuten möglich ist, bei dem ich auf den Turm kann.“ Das funktioniere in erstaunlich vielen Gemeinden, erzählt Eriks Vater Ingo Mannow.

Der Gehörschutz gehört für Erik Mannow zur Grundausrüstung
Der Gehörschutz gehört für Erik Mannow zur GrundausrüstungRebekka Krüger

Alte Kirchtürme können dabei manchmal gefährlich sein, etwa durch schmale, ausgetretene Treppenstufen und enge Zwischenräume. „Einmal standen wir zu dritt auf einem Fleck – da mussten wir schon aufpassen“, so Erik Mannow. Auch ein Glockenstuhl in Rendsburg ist ihm im Gedächtnis geblieben. „Zum Gottesdienst können da nicht alle fünf Glocken läuten, sondern nur drei, weil sonst der Dachstuhl zusammenbrechen würde“, sagt er. Angst hatte er da oben jedoch nicht. „Ich freue mich einfach, wenn ich Kirchenglocken höre.“

Er hat schon in Kiel, Eckernförde, Rostock und vielen anderen Orten – meist in Schleswig-Holstein – Glocken aufnehmen können. Das Glockenmuseum in Herrenberg, Baden-Württemberg, steht mit seinen 35 läutbaren Glocken weit oben auf seiner Wunschliste.

Vater wird zum Chauffeur

Dem Siebtklässler ist durchaus bewusst, dass er eine besondere Freizeitbeschäftigung hat. „Meine Freunde beschäftigen sich eigentlich nicht mit Kirchenglocken. Wenn ich etwas erzähle, sind sie interessiert. Aber wenn es zu viel wird, hören die einfach nicht mehr zu“, sagt er und lacht. „Ich rede viel und kann das gar nicht einschränken.“

„Das hat er von mir“, ergänzt Vater Ingo Mannow. Er ist Diplomkaufmann und als Chauffeur seines Sohnes fast immer mit dabei. Auch er findet das Hobby sehr ungewöhnlich. Weder gebe es einen musikalischen Hintergrund in der Familie noch einen kirchlichen. „Es ist schön, sich für etwas begeistern zu können, und das kann Erik wirklich sehr gut.“ Das sei schon immer so gewesen, sagt Ingo Mannow. „Erik möchte später zur Berufsfeuerwehr und war schon mit vier Jahren dafür Feuer und Flamme.“

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Nebenbei möchte Erik auf jeden Fall als Glockensachverständiger arbeiten, wie er erzählt. „Wenn ich dann auf die Kirchtürme gehe und etwas repariere, mache ich hinterher ein Probeläuten.“ Das könne er dann aufnehmen, und damit habe er direkt einen Beitrag für seinen Youtube-Kanal „Josephsglocke“. 

Viele Follower bei TikTok

Auch bei TikTok, einem jungen Dienst für kurze Videoclips, ist Erik Mannow vertreten – und hat schon mehr als 6000 Follower. Darüber hat er schon Gleichgesinnte gefunden, mit denen er gemeinsame Touren plant. „Als Nächstes werde ich mich mit Freunden in Lübeck treffen und Glocken aufnehmen“, sagt er, und die Vorfreude ist ihm anzumerken.