Verfassungsrechtler kritisiert Auftrag für Gutachten

Was sagt die Bibel zur Homosexualität? Das soll ein Gutachter im Prozess gegen den Pastor Olaf Latzel klären. Ein Oldenburger Verfassungsrechtler reagiert darauf mit klarer Kritik.

Pastor Olaf Latzel (Archivbild)
Pastor Olaf Latzel (Archivbild)Alasdair Jardine / epd

Bremen / Oldenburg. Der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler hat „mit Befremden“ auf das Vorgehen des Landgerichts Bremen im Berufungsprozess um den wegen Volksverhetzung verurteilten Pastor Olaf Latzel reagiert. Ob die umstrittenen Äußerungen Latzels gegen Homosexuelle in einem Eheseminar möglicherweise noch von der Religionsfreiheit gedeckt sind, müsse die Amtskirche mit ihrer gelebten Praxis beantworten, nicht aber ein theologisches Gutachten, sagte der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Das Landgericht hat nach eigener Aussage den Theologieprofessor Christoph Raedel von der Freien Theologischen Hochschule Gießen beauftragt zu prüfen, ob Latzels Aussagen über Homosexualität und Geschlechtergerechtigkeit von der Bibel gedeckt sind. Latzel war als Pastor der Bremer St.-Martini-Gemeinde im November des vergangenen Jahres vom Amtsgericht wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 8.100 Euro verurteilt worden. Nach Auffassung des Gerichtes hat der Theologe in einem sogenannten Eheseminar zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil Latzel Berufung eingelegt hat.

Was das Landgericht sagt

Ein Sprecher des Landgerichts hatte dem epd erläutert, dass Latzels Äußerungen im Sinne der Religionsfreiheit möglicherweise höher einzuschätzen seien, wenn seine Aussagen „noch von der Bibel gedeckt werden“. Dies müsse im Berufungsverfahren geprüft werden.


Mehr zum Thema
„Holy Shit“ – Pastor Latzel predigt unter Protest
Kirchenleitung bekommt Hassmails
Konservative Gemeinden fordern Latzels Wiedereinsetzung


Boehme-Neßler kritisierte dies als den „Versuch, zwei Grundrechte gegeneinander auszuspielen“. Alle Grundrechte seien jedoch gleichwertig. Sie seien nur begrenzt, wenn sie mit anderen Grundrechten oder Verfassungsgütern kollidieren. Doch dann sei der Artikel 1 des Grundgesetzes maßgebend, der die unverletzliche Würde des Menschen schützt. „Und Volksverhetzung ist ein Angriff auf die Menschenwürde“, unterstrich der Professor. Der Staat – und damit auch die Gerichte – hätten die Pflicht, das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft zu schützen.

„Sinnvoller als einen evangelikalen Theologen zum Thema Homosexualität zu befragen wäre es, die bremische Amtskirche nach ihrer Haltung dazu zu befragen“, sagte Boehme-Neßler. Ein Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche bestätigte, dass das Landgericht bisher keine Anfrage in dieser Sache gestellt habe. Fakt ist, dass in der bremischen Kirche gleichgeschlechtliche Paare getraut werden und homosexuelle Pastorinnen und Pastoren in Gemeinden arbeiten.

Professor Volker Boehme-Neßler
Professor Volker Boehme-Neßler

Vor Boehme-Neßler hat auch ein der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig das Vorgehen des Gerichts kritisiert. Im säkularen Rechtsstaat könne es für die Frage, ob der objektive Tatbestand wegen Volksverhetzung erfüllt wird, auf die theologische Bewertung von Homosexualität nicht ankommen, sagte Heinig. (epd)