Umstrittener Gutachter im Latzel-Prozess zieht sich zurück

Der Theologie-Professor hat Homosexualität als Sünde bezeichnet und ist von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden. Jetzt hat er selbst Konsequenzen gezogen.

In der evangelischen St. Martini-Kirche in Bremen predigt Olaf Latzel
In der evangelischen St. Martini-Kirche in Bremen predigt Olaf Latzelepd

Nach dem Rückzug des umstrittenen Gutachters Christoph Raedel aus dem Berufungsprozess um den Bremer Pastor Olaf Latzel ist das Gericht auf der Suche nach einem neuen Sachverständigen. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hätten in Stellungnahmen deutlich gemacht, dass sie sich begleitend sachverständig beraten lassen wollten, sagte ein Sprecher des Bremer Landgerichts am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der evangelische Pastor Latzel war vergangenes Jahr vom Amtsgericht Bremen wegen homophober Volksverhetzung verurteilt worden und hatte dagegen Berufung eingelegt.

Raedel war Anfang September von der Bremer Staatsanwaltschaft als Gutachter abgelehnt worden, weil sie ihn für möglicherweise befangen hielt. So hatte Raedel auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) erklärt, er vertrete die Auffassung, dass Homosexualität nicht mit der christlichen Lehre vereinbar sei und als Sünde bezeichnet werden müsse. Dies hatte zu heftiger Kritik von Theologen, Kirchenrechtlern und Verfassungsexperten geführt.

Vorwurf zurückgewiesen

Der Professor der Freien Theologischen Hochschule Gießen habe den Vorwurf der Befangenheit zurückgewiesen, erklärte der Gerichtssprecher auf epd-Anfrage. Gleichzeitig habe er darum gebeten, als Sachverständiger aus dem Verfahren entlassen zu werden: „Einer der Gründe ist sicherlich, dass er zu den Aussagen zu seiner Person bis zum Abschluss des Verfahrens keinerlei Stellung nehmen könnte, ohne über Bezüge zum Prozess zu sprechen.“ Die Kammer sei Raedels Wunsch mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung nachgekommen und habe seine Bestellung zum Sachverständigen widerrufen.


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Der evangelisch-methodistische Theologe Raedel sollte darlegen, ob Latzels schwulenfeindliche Äußerungen möglicherweise durch die Bibel gedeckt sind. Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig sagte dazu dem epd: „Was die Bibel ‚wirklich‘ sagt, ist im säkularen Rechtsstaat nun wirklich keine sinnvolle Frage für ein Gerichtsgutachten.“

Zu den Fragen, mit den sich ein neuer Sachverständiger beschäftigen soll, konnte der Gerichtssprecher keine Auskunft geben und verwies auf die Hauptverhandlung. „Nur eines vielleicht, der Sachverständige soll mit Sicherheit nicht erklären, ob die Aussagen Latzels theologisch betrachtet richtig oder falsch sind. Dass die Beantwortung einer solchen Frage schlichtweg seriös nicht möglich ist, ist allen Verfahrensbeteiligten klar.“

Zum Hass aufgestachelt

Latzel hatte nach Überzeugung des Bremer Amtsgerichts in einem auf Youtube verbreiteten „Eheseminar“ zum Hass gegen Homosexuelle aufgestachelt. Der Theologe wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil Latzels Verteidiger Berufung eingelegt haben. Das Verfahren sollte Anfang kommenden Jahres beginnen, wird sich jetzt wohl aber aufgrund der Suche nach einem neuen Sachverständigen weiter verzögern. Ein Termin der Hauptverhandlung könne erst mitgeteilt werden, wenn ein Gutachter gefunden sei und dieser seinen Zeitaufwand abschätzen könne, hieß es. (epd)