Ulrich Tukur streicht über Gedichtband – nicht übers Smartphone

Der Schauspieler Ulrich Tukur hadert mit modernen Technologien. Alte Bücher und Musik etwa aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren hingegen mag er gern. Was er daran schätzt.

Ulrich Tukur (67), Schauspieler mit nostalgischen Zügen, besitzt bewusst nur ein altes Handy. “Ich habe ein Bändchen mit Gedichten von Heinrich Heine aus dem 19. Jahrhundert. Das hat genau die Größe eines Smartphones. Das hole ich manchmal heraus und wische in der Straßenbahn darauf herum”, sagte Tukur der “Süddeutschen Zeitung” (Dienstag). Das Nostalgische sei ihm wohl eingeboren: “Mein Großvater war so, und nicht wenige meiner Vorfahren waren charmant aus der Zeit gefallen.”

Bisweilen fühle er sich vollkommen deplatziert im Hier und Jetzt, räumte der Künstler ein. “Ich bin nicht geboren, um Einkaufswägen durch Supermärkte zu schieben und im Internet herum zu surfen. Ich reibe mich an dieser belanglosen Welt. Leider kann ich sie nicht ändern.” Seine Begeisterung für die Musik der Zwanziger- und Dreißigerjahre begründete Tukur damit, dass die Menschen damals kaum technische Hilfsmittel hatten. Wer in einer Jazzband oder Tanzkapelle gespielt habe, habe fünf, sechs Instrumente beherrschen müssen. Die Aufnahmetechniken seien primitiv gewesen, man sei auf sich selbst zurückgeworfen gewesen, man habe wirklich etwas können müssen.

Als “horribel” bezeichnete Tukur die Entwicklungen rund um die Künstliche Intelligenz (KI). “Ich habe Angst davor. Wir haben die Büchse der Pandora geöffnet und Technologien in Gang gesetzt, die uns schon jetzt dominieren und außer Kontrolle geraten.” Der Mensch sei dabei, sich selbst abzuschaffen, zumindest in seiner alten, zufälligen Form. Er werde sich mit Maschinen verbinden, werde transhuman und irgendwann zum Roboter. “Man hört ja schon von Leuten, die es toll finden, sich Chips ins Hirn einbauen zu lassen. Und das Ganze entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit. Ich bin froh, dass ich durch bin.”

Er sei in einer analogen Welt groß geworden, ohne Computer, Mobiltelefon oder Fernsehapparat, führte Tukur aus. “Der Mensch stand im Mittelpunkt, man redete miteinander und war noch irgendwie gemeinsam Teil der Natur. Jetzt schaue ich mir meine Zeitgenossen in Restaurants oder den öffentlichen Verkehrsmitteln an. Niemandes Augen kriege ich mehr! Sie sind nicht da, wo sie sind, und haben fast alle diese grässliche Leuchtschachtel in der Hand.”

Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys sind derzeit unter dem Motto “Es leuchten die Sterne” auf Tournee. Sie präsentieren Swing, Jazz und Schlager der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierzigerjahre.