Turmfalken brüten im Gleschendorfer Kirchturm

Seit 2012 bietet der Gleschendorfer Kirchturm Turmfalken ein Zuhause. Die Gemeinde hat dank moderner Technik teil am Familienleben der seltenen Greifvögel.

Lupiene mit ihrem Großen – das zweite Küken musste in die Obhut von Tierärzten gegeben werden und hat es nicht geschafft.
Lupiene mit ihrem Großen – das zweite Küken musste in die Obhut von Tierärzten gegeben werden und hat es nicht geschafft.webcam/ Hans-Ulrich Fenner

von Ilka Thomsen
Scharbeutz. Hans-Ulrich Fenner ist live dabei, wenn Luggi Mäuse bringt und Lupiene diese in schnabelgerechten Häppchen an den Nachwuchs verfüttert. Das Turmfalkenpaar hat erfolgreich im Nistkasten hoch oben im Kirchturm gebrütet, und dank einer Webcam kann der Gleschendorfer vom Sofa aus auf dem Computer sehen, was es Neues gibt im Nest.

Gleschendorf gehört zur Gemeinde Scharbeutz. Es liegt im Kreis Ostholstein, etwa sieben Kilometer von der Ostsee entfernt, an einem alten Übergang über die Schwartau. Auf einem Hügel mitten im alten Dorfkern steht die rund 800 Jahre alte Kirche mit ihrem mächtigen Felssteinturm. Drei Schallluken öffnen sich in dem Schindeldach. Bei einer Kirchturmbegehung vor fünf Jahren fragte Fenner nach: „Gibt es hier eigentlich Turmfalken?“ Nein, war die Antwort, die Öffnungen hatten vergittert werden müssen, um Tauben den Zugang zu verwehren. Deren Kot hätte die Glocken zu stark angegriffen. Doch dem Ingenieur Fenner ließ der Gedanke keine Ruhe.

Falkentagebuch im Internet gibt Auskuft

Mit seiner Idee, Turmfalken im Kirchturm anzusiedeln, lief er beim Kirchengemeinderat offene Türen ein, und im Frühjahr 2012 wurde ein geräumiger Holzkasten mit einer Anflugstange und Sprossen in einer der Schallluken eingebaut. Keine zehn Tage später zogen die ersten Falken ein, sechs gesunde Jungtiere wuchsen heran. Davon zeugen beeindruckende Bilder, die Anja Fingerhut-Fenner teils mit dem Teleobjektiv vom Boden aus, teils direkt im Turm gemacht und ins Internet gestellt hat. „Im ersten Jahr bin ich 250 Mal in den Turm hochgestiegen“, sagt Hans-Ulrich Fenner. Dann hat er die Webcam installiert. Auf einer eigens angelegten Website führt er ein Falkentagebuch, und für die Gottesdienstbesucher hängt er sonntags aktuelle Bilder in der Kirche aus.

Auszeichnung "Lebensraum Kirchturm" vom NABU

Für ihr Engagement sind die Gleschendorfer vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) mit der Plakette „Lebensraum Kirchturm“ ausgezeichnet worden. 17 weitere Kirchen in Schleswig-Holstein haben die Plakette bereits bekommen, bundesweit sind es mehr als 900. Das NABU-Projekt „Lebensraum Kirchturm“ wurde 2007 gemeinsam mit dem Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen ins Leben gerufen. Damals war der Turmfalke „Vogel des Jahres“ – ein Tier, das wie kaum ein anderes auf Nistmöglichkeiten in Türmen angewiesen ist.

Glockengeläut stört die Falken nicht

Nachdem in den vergangenen drei Jahren zwar verschiedene Turmfalken Interesse an der Gleschendorfer Unterkunft gezeigt, aber keine Eier gelegt hatten, freuten sich Anja und Hans-Ulrich Fenner in diesem Jahr wieder über Falkennachwuchs im Horst: „Das Pärchen hatte vier Eier gelegt, eines war blind und eines ist spurlos verschwunden“, berichtet Fenner. Von den beiden geschlüpften Küken musste er eines in den Vogelpark Niendorf bringen, weil es nicht richtig auf die Beine kam. Doch auch die Tierärzte konnten ihm nicht helfen, und das Junge musste eingeschläfert werden. Das einzige überlebende Küken ist vor ein paar Tagen ausgeflogen. Das Schlagen der benachbarten Glocken hat es offensichtlich nie gestört. „Das Geräusch hören die Küken ja schon im Ei“, sagt Fenner, „das gehört bei dieser Wohnung dazu.“

Das Falkentagebuch ist unter www.turmfalken-gleschendorf.de im Internet zu sehen. Über das Projekt „Lebensraum Kirchturm“ informiert der NABU auf www.nabu.de.