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Tschechien vor rechtem Regierungswechsel

In Prag weht bald ein neuer politischer Wind. Populist Andrej Babis kehrt mithilfe rechter Kräfte in das Amt des Ministerpräsidenten zurück. Was das für die Nachbarn, das Weltklima und die Ukraine verheißt.

Strenge Regeln für Migranten, freie Fahrt für Verbrennungsmotoren und eine unsichere Zukunft für die Ukraine-Hilfe: Tschechien steht mit der Rückkehr von Milliardär Andrej Babis als Regierungschef ein politischer Kurswechsel bevor. Diese Woche unterzeichnete der als “tschechischer Trump” gehandelte Populist einen Koalitionsvertrag mit seinen beiden rechtsnationalen Regierungspartnern. Bis Monatsende soll die neue Regierung stehen.

Nach Ansicht von Tomio Okamura besiegelt die neue Dreierkoalition das “Ende einer Regierung, die den tschechischen Interessen schadete”. Der in Tokio geborene Politiker mit tschechisch-japanisch-koreanischen Wurzeln ist Chef der ultrarechten Partei “Freiheit und Direkte Demokratie” (SPD) – und sorgte in den vergangenen Jahren wiederholt mit rassistischen Aussagen und Wahlplakaten für Aufsehen. Berüchtigt ist jenes eines blutverschmierten Migranten mit gezücktem Messer.

Jetzt soll Okamura mit Unterstützung der Babis-Partei ANO und der Autofahrerpartei “Motoriste sobe” neuer Parlamentspräsident werden. In der neuen Regierung soll die SPD zudem drei Minister stellen, die Motoristen vier und die ANO acht – plus Babis als Premier. Ein Posten, den er bereits von 2017 bis 2021 innehatte.

Bereits im Vorfeld hatte Präsident Petr Pavel verkündet, er werde keinen Regierungspolitiker akzeptieren, der Tschechiens westliche Ausrichtung infrage stelle. Somit scheint das Regierungsprogramm des nationalistischen Bündnisses ein Kompromiss, wie Katerina Smejkalova von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Prag berichtet: “Vom Ton her ist es recht sachlich gehalten. Man findet weder Angriffe auf den Rechtsstaat noch eine grundsätzliche Infragestellung der EU- oder NATO-Mitgliedschaft.”

Zuvor hatte die SPD auf ein Referendum über Tschechiens Verbleib in den Staatenbündnissen gedrängt. Auch auf “typisch kulturkämpferische Fragen” verzichte das Programm, etwa in Verbindung mit LGBT- und sonstigen Minderheiten oder Abtreibungen. Das unterscheidet das tschechische Populisten-Bündnis von den Regierungen in Ungarn und der Slowakei – vorläufig.

Dennoch bereitet der erwartete Rechtsruck in Prag vielen Beobachtern schon jetzt Kopfzerbrechen. Kontrovers steche etwa die Ablehnung des EU-Asyl-Paktes aus dem Programm hervor, sagt Smejkalova. Auch die europäischen Umweltziele will Babis nicht mittragen. Bereits zuvor hatte er angekündigt, den “Wahnsinn aus Brüssel” stoppen zu wollen. Die künftige Regierung will NGOs in einem zentralen Register erfassen, wobei ein Augenmerk auf ausländisch finanzierte Organisationen gelegt werden soll.

Tschechiens Außenpolitik neu definieren – das hat voreilig der Berater von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban für die Prager Koalitionspartner übernommen: Vorige Woche kündigte Balazs Orban eine “ukraineskeptische Allianz” innerhalb der EU an, bestehend aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Auch Babis will die eingeschlafene Visegrad-Gruppe (inklusive Polen) wiederbeleben. Das betonte er erneut am Dienstag bei einem Treffen mit dem slowakischen Präsidenten Peter Pellegrini.

Beobachter fragen sich: Kommt jetzt ein osteuropäischer Gegenpol zu Brüssel? Im Regierungsprogramm hält die künftige Regierung fest: “Die EU hat ihre Grenzen – sie hat nicht das Recht, den Mitgliedstaaten Entscheidungen aufzuzwingen, die in deren innere Souveränität eingreifen.”

Die Auswirkungen könnte auch die Ukraine zu spüren bekommen. Durch seine Munitionsinitiative wurde Tschechien zu einem der wichtigsten Unterstützer des angegriffenen Landes. Voriges Jahr stellte Prag 1,5 Millionen Geschosse für Kiews Verteidigung bereit. Babis kündigte einen Stopp der staatlichen Waffenhilfe an.

Nichtsdestotrotz will Politikexpertin Smejkalova die enger werdende Beziehung zu den historischen Brüderstaaten nicht automatisch als Anti-Ukraine-Bündnis werten: “Die Positionen von Babis zur Ukraine sind nicht so radikal wie die eines Orban oder Fico”, schon gar nicht offen pro-russisch, meint sie. Etliche Beobachter schätzen, Babis werde auch in seiner Regierungszeit als Pragmatiker auftreten, weniger als Ideologe. Somit könnte die Militärhilfe für die Ukraine in ein lukratives Geschäftsmodell umgewandelt werden: ganz im Sinne des milliardenschweren Unternehmers.