Tilman Jeremias: Kirche erlebt „innere Krise des Glaubens“

Deutliche Worte des neuen Bischofs Tilman Jeremias: Die Kirche habe durch den Missbrauchsskandal „massiv an Vertrauen verloren“. Auch deshalb könne sie mit ihrer Botschaft immer weniger Menschen überzeugen.

Tilman Jeremias erhält das Amtskreuz von Karl-Hinrich Manzke, Landesbischof der Landeskirche Schaumburg-Lippe
Tilman Jeremias erhält das Amtskreuz von Karl-Hinrich Manzke, Landesbischof der Landeskirche Schaumburg-LippeDaniel Vogel / kirche-mv.de

Greifswald. Der neue Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche, Tilman Jeremias, ist in einem Gottesdienst im Greifswalder Dom in sein Amt eingeführt worden. Er werde Bischof in einer Zeit, in der Kirchen und Theologie in West- und Mitteleuropa in einer elementaren inneren Krise des Glaubens stecken, sagte Jeremias in seiner Predigt. „Wir haben einige Schlagworte gefunden, um sie uns vom Leib zu halten: Säkularisierung, demografischer Wandel, Individualisierung, Institutionenmüdigkeit.“

Damit wolle Kirche sich selbst den „Megatrend raus aus den Kirchen“ erklären, jedoch beschreibe dies „noch zu wenig das wahre Dilemma“. „Wir haben massiv an Vertrauen verloren, vor allem durch den Missbrauchsskandal.“ Eine Kirche, die minderjährige Opfer nicht vor sexuellen Übergriffen schütze und auch noch die Täter decke, „hat aufgehört, Kirche zu sein“. „Sichtlich können wir auch deswegen nicht mehr mit dem Kern unserer kirchlichen Existenz überzeugen, mit der Verkündigung von Gottes unendlicher Liebe zu uns Menschen in Jesus Christus.“

Bis an den Rand der Kräfte

Viele in der Kirche arbeiteten „bis an den Rand der Kräfte und darüber hinaus, versuchen da zu sein für die Menschen“. Aber die Mehrheit der Menschen, gerade in Mecklenburg und Pommern, lebe gut, ohne Mitglied der Kirche zu sein. Manche hätten ihren ganz privaten Glauben. „Aber die meisten sind des Glaubens, ja der Religion, völlig entwöhnt.“

Kirche solle offen sein für die, „die anders beten oder anders aussehen, die noch nie da waren, die auf der Suche sind“, so der 53-Jährige Jeremias. Dies sei ein entscheidender Paradigmenwechsel für eine Kirche, die heute nicht mehr selbstverständliche Autorität sei: „Wir sind nicht länger die Kirche, die allen Gott und Welt erklärt, sondern eine Kirche, die sich öffnet, um gemeinsam auf der Suche zu sein.“

Bischof Jeremias ist bereits seit 20. September im Amt. Er ist einziger Nachfolger der früheren Bischöfe Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und Andreas von Maltzahn (Schwerin). Die Reduzierung der Bischofssitze war bei Gründung der Nordkirche 2012 festgelegt worden. Jeremias´ Amtssitz ist Greifswald, seine Predigtstätte der Greifswalder Dom.

„Wort zum Sonntag“ gesprochen

Der Sprengel Mecklenburg und Pommern umfasst das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und einige Gemeinden im nördlichen Brandenburg. In den beiden Kirchenkreisen leben rund 243.000 evangelische Christen in knapp 400 Gemeinden. Die Nordkirche hat rund zwei Millionen Gemeindeglieder und umfasst die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Hamburg.

Tilman Jeremias wurde in Mainz geboren und wuchs in Gröbenzell bei München auf. Nach einem Jahr in einer Tagesstätte für psychisch kranke Kinder studierte er Theologie in München, Tübingen, Jerusalem und Leipzig. 1995 übernahm er die Pfarrstelle in Schwaan bei Rostock. 2001 bis 2002 gehörte er zu den Sprechern des „Worts zum Sonntag“. 2003 wechselte Jeremias in die Innenstadtgemeinde Rostock. Seit 2016 war er Mecklenburger Pastor für Mission und Ökumene. Jeremias ist geschieden und hat drei Kinder. (epd)