Papst Leo XIV. führt das Erbe von Franziskus fort – doch mit neuen Akzenten. Theologe Jan-Heiner Tück sieht im Schreiben “Dilexi Te” ein starkes Plädoyer für die “Liebe zu den Armen” – sowie subtile politische Signale.
Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück sieht im neuen Papstschreiben “Dilexi Te” eine Weiterführung des “unvollendeten Erbes” von Papst Franziskus – “jedoch mit eigenen Akzenten”. Papst Leo XIV. zeichne darin “ein vielschichtiges Bild von Armut, das weit über materielle Fragen hinausreiche”, schreibt Tück am Donnerstag in einem Gastbeitrag für katholisch.at.
Armut umfasse demnach auch soziale Ausgrenzung, digitale Stigmatisierung und Vereinsamung im Alter. Die Kirche reagiere darauf vielfältig – von den Kirchenvätern bis zur Befreiungstheologie mit ihrer “Option für die Armen”. Die Mahnung zur “Liebe zu den Armen” werde man “nicht überhören können; in den USA nicht und hierzulande auch nicht”, so Tück.
Überraschend sei, dass Leo XIV. die von Franziskus geprägte Rede von der “Diktatur einer Wirtschaft, die tötet” übernehme, ohne wirtschaftliche Differenzierungen – etwa zur Sozialen Marktwirtschaft – vorzunehmen. Das Schreiben greife Anliegen der Befreiungstheologie und der Neuen Politischen Theologie auf, etwa den Aufruf zu praktischer Solidarität, so Tück. Auch das Plädoyer für eine “Mystik der offenen Augen” gehöre dazu.
Als “bemerkenswerte Leerstelle” sieht Tück, dass Leo XIV. als Augustiner nicht auf die augustinische Denkfigur des Ordo amoris zurückgreife. Darin erkennt er eine bewusste Entscheidung, um sich nicht als “Anti-Trump” zu positionieren. Diese Denkfigur sei von der Trump-Regierung, insbesondere von Vizepräsident J. D. Vance, genutzt worden, um eine restriktivere Migrationspolitik zu rechtfertigen. Bereits vor seiner Papstwahl hatte Kardinal Robert Prevost dieser Interpretation widersprochen.