Das globale Wirtschaftssystem muss nach Meinung des evangelischen Theologen Martin Hoffmann dringend transformiert werden. Gerade diese Krisenzeiten seien „der richtige Zeitpunkt, das Problem grundsätzlich anzugehen“, sagte der Nürnberger Pfarrer im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in München: „Denn ganz offensichtlich ist es der neoliberale Kapitalismus, der die Welt in diese Probleme stürzt.“ Hoffmann arbeitet mit einer wissenschaftlichen Projektgruppe „Reformation radikalisieren“ zusammen, deren Buch „Lebensdienlich wirtschaften“ (Büchner Verlag) heuer erschienen ist.
Laut dem Theologen sorgt die aktuelle Wirtschaftsweise für soziale, ökologische und politische Probleme: „Die Vermehrung des Kapitals bei wenigen und die Zunahme der Ungleichheit sind es, die uns spalten und viele Bürger dem Rechtsradikalismus in die Arme treiben“, sagte er. Auch der Klimawandel gründe in diesem Denken – die Rationalität des Wachstums sei eine Schattenseite der Moderne.
Mit der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft sei den Menschen gut gedient gewesen, sagte Hoffmann. Heute jedoch agiere die Ökonomie global, und die Finanzwirtschaft habe die Realwirtschaft überholt – „die Vermehrung von Kapital um des Kapitals willen“. Bei soviel Liberalisierung falle die Orientierung am Gemeinwohl weg. Dabei stehe dieses sogar als Ziel aller wirtschaftlichen Tätigkeit in der bayerischen Verfassung.
„Wir brauchen eine neue politische Rahmenordnung, die die Wirtschaft wieder darauf ausrichtet“, fordert der Theologe, der früher in Bayreuth und Nürnberg Pfarrer ausgebildet hat. Es gehe um „einen dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Sozialismus“. Viele Experten arbeiteten daran, und es gebe gute Entwürfe – etwa das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie. Diesem zufolge wird ein Unternehmen nicht nur nach seinem finanziellen Erfolg, sondern nach ethischen Kriterien bewertet. Aufgabe der Politik wäre es laut Hoffmann, gemeinwohlorientierte Unternehmen zu fördern: „Man kann das Wirtschaftssystem mit kreativen Lösungen durchlöchern. Das ginge aber besser, wenn es staatlich gefördert würde.“
In Lateinamerika zeigten sich viele negative Folgen der kapitalistischen Auswüchse, sagte der Theologe, der mehrere Jahre in Costa Rica gearbeitet hat. Dort gab es „eine Welle von Privatisierungen, im Gesundheitswesen, in der Wasserversorgung, in der Ressourcenausbeutung und im Landraub“. Auch die Fluchtursachen in anderen Ländern seien großenteils von der Wirtschaftsweise des Westens initiiert: „Das wäre doch Motiv genug, an Veränderungen zu arbeiten und Modelle eines alternativen Wirtschaftens zu verfolgen“, appellierte er. Es gelte, immer zu fragen, was dem Leben dient. (3340/27.10.2025)