Karow und Bonard ermitteln in ihrem vorletzten gemeinsamen Fall unter illegal in Berlin lebenden Venezolanern, die von einem deutschen Pass und einem menschenwürdigen Leben träumen – und dafür alles tun …
“Sieht aus wie ein Gefängnis!” – “Aber eins, in das viele rein wollen!”: So heißt es hier einmal über die Bundesdruckerei. Immerhin wird in dem hermetisch abgesicherten Gebäude am südlichen Rand von Berlin-Mitte “das ganze Geld für Deutschland” gedruckt. Gleich zu Beginn dieses “Tatorts” ist vorsorglich der Hinweis zu lesen, dass die dargestellten internen Abläufe der Bundesdruckerei “frei erfunden” seien – nicht, dass noch jemand auf die Idee kommt, es den fiktiven Einbrechern ins “deutsche Fort Knox” gleichzutun. Eine detaillierte Anleitung dazu bekäme man mit diesem Film jedenfalls geliefert – wenn auch eine recht komplizierte. Und, wie man sehen wird, schon auch fehleranfällig.
Der “Tatort: Erika Mustermann”, den Das Erste am 2. November von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt, lässt die Kommissare Robert Karow (Mark Waschke) und Susanne Bonard (Corinna Harfouch) im Falle des totgefahrenen Essenslieferanten Tomás ermitteln. Der venezolanische Staatsbürger lebte ohne gültige Papiere in Berlin, schickte ebenso wie sein Bruder Luis regelmäßig Geld nach Hause.
Zu den wenigen Freiheiten dieses von Armut und Perspektivlosigkeit geprägten Lebens gehörte die Liebesbeziehung zu der etwas älteren Annika Haupt (Annett Sawallisch). Die arbeitet in besagter Bundesdruckerei (BDR) als Security-Fachfrau; nur aufgrund dieses Kontakts durfte der Essenszusteller Tomás mit seinen Lieferungen das streng geschützte Gebäude betreten. Beim Auswerten der Überwachungsvideos fällt den Ermittlern allerdings auf, dass Tomas’ Rucksack beim Verlassen des Unternehmens schwerer wirkt als beim Betreten desselben. Half Annika Tomás beim Entwenden von Banknoten?
Doch dann erfahren die Polizisten, dass in der BDR auch Dokumente – sprich Pässe und Ähnliches – hergestellt werden. Wie wertvoll ein deutscher Pass auf dem Schwarzmarkt ist, erfährt man auch: bis zu 10.000 Euro. Zusammen mit Luis’ und Annikas Erzählungen von den prekären Lebensverhältnissen in Venezuela, den Spuren bitterster Armut an Tomás’ Körper und der fehlenden Asyl-Perspektive für venezolanische Wirtschaftsflüchtlinge in Deutschland ergibt sich schnell ein Bild: Hier werden Menschen geschleust, in großem Stil.
Eine interessante Thematik also, mit zahlreichen politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Implikationen. Dazu das angenehm freundlich-sachlich miteinander umgehende Ermittlerduo, der gerne mal etwas aufbrausende Karow und die empathische Bonard: Man siezt sich nach wie vor und hält eine gewisse Distanz, mag sich aber. Mark Waschke und Corinna Harfouch sind eine wunderbar feine Besetzung für dieses Team, das hier in seinem vorletzten gemeinsamen Fall ermittelt: Harfouch hört auf eigenen Wunsch hin nach sechs Folgen auf, offenbar aus Altersgründen.
Und doch ist “Erika Mustermann” kein gelungener Krimi, was vor allem einen Grund hat: Statt Bildern und sinnlicher Eindrücke wird geredet, erklärt, berichtet, zusammengefasst, gesprochen – und schließlich nochmal geredet. Klar, es geht hier um einen Einbruch in eine Hochsicherheitseinrichtung, das ist kompliziert. Aber gerade deshalb hätte es einen viel anschaulicheren Zugang gebraucht.
Die Idee zu diesem streckenweise fast an ein Hörspiel erinnernden Film entstand in einem Writer’s room, verantwortlich fürs Drehbuch zeichnet Dagmar Gabler. Schauwerte sind dabei eher Fehlanzeige: Zu sehen gibt es Fassadenansichten der (echten) BDR, grau-blau-stichige Überwachungsvideos, triste Wohnblöcke, Behördengänge und dunkle Wohnungen.
Schon klar, dieser “Tatort” will eine kalte, unwirtliche, die Härten des (Über-)Lebenskampfes betonende Stimmung evozieren; dazu würden bunte Glamour-Aufnahmen nicht passen. In Kombination mit der wenig plastischen, auf fast jegliche Action verzichtenden Erzählweise ist das Ganze aber doch arg trocken, papieren und wenig sinnenfroh; dazu kommen dramaturgische Plumpheiten. Auch wenn diese atmosphärische Lage zu einem Schauplatz wie der Bundesdruckerei passen mag: Dieser Krimi sieht und hört sich vor allem so an, als hätte man beim rbb arg sparen müssen.