Stimme im Kopf

Über die Probleme mit guten Vorsätzen schreibt Albrecht Stegen. Er ist Gemeindepädagoge in Abtshagen (Mecklenburg-Vorpommern).

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Doch er gehört nicht zu denen, die unsere Schwächen nicht verstehen und zu keinem Mitleiden fähig sind.“ aus Hebräer 4,15
„Bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ“ Ich mag diesen Gesang aus Taizé. Vor einigen Wochen habe ich ihn wieder neu für mich entdeckt. Jetzt singe oder summe ich ihn täglich. Er ist mir zu einer wahren Hilfe und Kraftquelle geworden. Genau jetzt, da ich hier sitze und gegen die kleine Stimme in meinen Kopf ankämpfe, die leise zu mir spricht: „du darfst, wenn du willst.“ Warum tue ich mir diesen Stress eigentlich gerade jetzt an? Es gibt Momente, in denen ich schon innerlich auf dem Weg bin: nur über die Straße laufen, in den Abtshäger Frischemarkt, direkt zur Kasse, Blättchen, Filter und Tabak kaufen und schon wäre alles gut!? 
Für Nichtraucher ist dieses Verlangen nach einer Zigarette kaum nachvollziehbar. Aber auch wer nicht an der Fluppe hängt, weiß, dass wir von Verlockungen und Versprechungen in unserem Alltag permanent umgeben sind. Der Weg, aus einer Sucht in die Freiheit zu gelangen, die Vorsätze für das Jahr 2019 oder die Fastenzeit umzusetzen, ist mit Versuchungen und Rückschlägen gepflastert. Hier hat jeder von uns sicherlich schon einige Erfahrungen gesammelt. Das Gefühl, versagt zu haben. Das Gefühl, für das Ziel nicht genügend Willenskraft aufgeboten zu haben. Das Gefühl, sich selber belogen zu haben.
Und dann lese ich den Predigttext im Hebräerbrief für den Sonntag Invokavit. Während ich über den Text nachdenke, werde ich ruhiger. 
Da ist jemand, der meine Situation, meine Stimmungen und die Ängste versteht. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Da ist jemand, der mir die Hand reicht, nachdem ich hingefallen bin. Das tröstet. Da ist jemand, der sich den Versuchungen gestellt und ihnen widerstanden hat. Das motiviert. Da ist jemand, der diesen Weg schon gegangen ist. 
Das Ziel meines Weges entfaltet sich als wunderbares Bild vor meinem inneren Auge. Die kleine, nervige  Stimme in meinem Kopf wird leiser. Ich beginne, leise vor mich hin zu summen. Meine Lunge füllt sich mit Luft, und ich fange an zu singen: „Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, du treuer Gott“.
Unser Autor
Albrecht Stegen
ist Gemeindepädagoge in Abtshagen (Mecklenburg-Vorpommern).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.