Stasi-Beauftragte fordert offene Debatte über Pommersche Kirche

Ein neu aufgelegtes Buch behandelt die problematische DDR-Vergangenheit der Pommerschen Kirche. Bischof Abromeit hat für das Werk Lob und Kritik zugleich.

Blick in die Berliner Stasi-Unterlagen-Behörde
Blick in die Berliner Stasi-Unterlagen-BehördeRolf Zöllner / epd

Schwerin, Greifswald. Mecklenburg-Vorpommerns Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Anne Drescher, hat sich für eine vorurteilsfreie Diskussion über die DDR-Vergangenheit der Pommerschen Evangelischen Kirche ausgesprochen. Die Kirche müsse den Raum dafür schaffen, dass ohne Halbwissen und Halbwahrheiten darüber gesprochen werden kann. Drescher stellte in Schwerin die überarbeitete und erweiterte Nachauflage der vergriffenen Publikation "Der ‚Greifswalder Weg‘ und die DDR-Kirchenpolitik 1980 bis 1989" von Rahel Frank vor.
Der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit bezeichnete die Nachauflage als hilfreichen Impuls für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Frank habe an der 1998 erschienenen Publikation über die DDR-Kirchenpolitik "konstruktiv weiter gearbeitet", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er kritisierte jedoch, dass es so dargestellt werde, als habe die Pommersche Kirche sich ihrer Geschichte nicht gestellt – "und das stimmt nicht".

"Fundamentaler Sündenfall"

Die Historikerin Frank sagte bei ihrer Buchvorstellung, es sei Konsens in allen Landeskirchen in der DDR gewesen, keine Gespräche mit dem DDR-Geheimdienst zu führen. Deshalb seien solche Gespräche ein "fundamentaler Sündenfall". Aus sehr problematischen Gründen habe sich die pommersche Kirche nach der Wende nicht von Altlasten getrennt und keinen Neuanfang versucht. Damit die pommersche Kirche ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann, müsse sie sich den über 80.000 Christen vor Ort zuwenden, die mit Einschränkungen leben mussten wie etwa der Nichtzulassung zum Abitur.
Es sei schlichtweg falsch zu sagen, betonte Drescher, in der Kirchenleitung der damaligen Greifswalder Kirche habe es keine Stasi-IMs gegeben. Der IM-Begriff werde umgedeutet, wenn er beispielsweise von einer Verpflichtungserklärung abhängig gemacht werde.
Bischof Abromeit verwies darauf, dass es bereits Anfang der 90er Jahre eine disziplinarrechtliche Aufarbeitung nach rechtsstaatlichen Kriterien gegeben habe, die lückenlos durchgeführt worden sei. Das schlichte Schema in dem Buch "Wer ist Opfer, wer ist Täter?" werde der Problematik nicht gerecht. Das Hauptproblem des "Greifswalder Weges" sei in Täter-Opfer-Kategorien nicht zu fassen.

Viele Christen durften nicht studieren

Während viele Christen wegen ihres Glaubens beispielsweise nicht studieren durften oder wegen ihrer Weigerung zur Stasi-Kooperation sogar "zersetzt" wurden, hätten Mitglieder der Kirchenleitung mit dieser Staatssicherheit kooperiert, räumte Abromeit ein. "Als das nach der Wende herauskam, wurde das als Vertrauensbruch empfunden." Dieser Vertrauensbruch habe viele Narben hinterlassen. "Hier genau hinzusehen und zu versuchen zu heilen, sehe ich als eine wichtige Aufgabe für uns als Kirche."
Abromeit würdigte, dass sich die überarbeitete Auflage dem Thema der Zusammenarbeit von Kirche und Stasi differenzierter stelle. Dies spiegele sich bereits in der Ergänzung des Titels "Einsam oder gemeinsam?" wider. Die Zusammenarbeit mit der Stasi sei "kein Weg der gesamten Landeskirche, sondern der Weg einiger Pastoren und einiger Personen in der Kirchenleitung" gewesen. "Die Nordkirche wird auch diesen Teil ihrer Geschichte aufarbeiten", kündigte Abromeit an. Eine von ihm initiierte Arbeitsgruppe arbeite bereits seit dem letztem Jahr an einer entsprechenden Konzeption. (epd)