Sie strickt Mützen für Seeleute aus aller Welt

Sylvia Bertram denkt häufig an eisigen Wind und kalte Ohren. Denn sie hat ein ungewöhnliches Hobby: Die 84-Jährige strickt Wollmützen für Seeleute aus aller Welt.

Sylvia Bertram strickt stundenlang.
Sylvia Bertram strickt stundenlang.

Selbst bei sommerlichen Temperaturen strickt die 84-Jährige aus Brunsbüttel (Elbe) warme Wollmützen für Seeleute aus aller Welt. "Es gibt doch nichts Schöneres, als bei 30 Grad im Liegestuhl im Garten zu sitzen und zu stricken."
Vor sechs Jahren bat die Seemannsmission Brunsbüttel in einem Zeitungsaufruf um Telefonkarten für Seeleute. "Ich hatte nur zwei Telefonkarten", erinnert sich Sylvia Bertram, "dafür lagen bei mir aber ganz viele Wollreste rum." Sie gab ihre Telefonkarten ab und fragte Seemannsdiakon Leon Meier, ob selbst gestrickte Wollmützen auch erwünscht seien. Meier stimmte sofort zu, und die Produktion im Hause Bertram begann.

Sie löst Kreuzworträtsel – und strickt nebenbei

Auch wenn Sylvia Bertram die Tageszeitung liest, klappern stets ihre Stricknadeln. "Na, das mach ich doch mit links", sagt die 84-Jährige salopp. "Beim Stricken muss ich doch nicht hingucken." Die Seniorin mit dem geblümten Kleid legt die Stricknadeln mit der blau-weißen Wolle kurz in den Schoß. "Ich löse dabei sogar noch das Kreuzworträtsel." Etwa sechs Stunden braucht sie für eine Mütze.
Wer 300 Wollmützen in sechs Jahren gestrickt hat, muss auch mehrere Dinge auf einmal machen können – wie Sylvia Bertram. Sie strickt für Seeleute aus aller Welt, die zu Weihnachten Station in Brunsbüttel machen. Die Mitarbeiter der Seemannsmission bringen die Mützen persönlich an Bord und berichten der Seniorin immer wieder, wie groß die Freude bei den Beschenkten ist. Für Sylvia Bertram eine Bestätigung dafür, dass sie vor sechs Jahren genau das Richtige getan hat. "Solange es irgendwie geht, mach ich damit weiter."

Warum montags nicht gestrickt wird

"Das Stricken habe ich in der Schule gelernt", sagt die gebürtige Kronprinzenkoogerin. "Allerdings war das im Krieg, und es gab kaum Wolle." Die junge Schülerin wusste sich zu helfen: Sie zupfte hängen gebliebene Schafwolle aus den Stacheldrahtzäunen, verspann diese und strickte sich davon warme Strümpfe. Später strickte sie für ihren Mann und ihre beiden Kinder Pullover und Jacken. Mittlerweile wohnt die Witwe in einem kleinen Reihenhaus am Stadtrand von Brunsbüttel. Verwandte, Nachbarn und Freunde versorgen sie mit Wolle. Auch bei der Seemannsmission werden fleißig Wollreste gesammelt.
Absolut strickfrei ist bei ihr nur der Montagnachmittag, an dem sich die Seniorin mit drei Freundinnen zum Kartenspielen trifft. Wenn die Damen Canasta, Rommé oder Zwickern spielen, ist Konzentration Trumpf. Sylvia Bertram zwinkert: "Da müssen wir aufpassen, da geht nichts nebenbei."