Sie schaut durch ein Bild in die Welt Gottes

Die Hamburgerin Kirsten Voß malt Ikonen, und das mit Leidenschaft. Die Arbeit am Bild ist für sie intensiver als der Besuch eines Gottesdienstes. Zur Ikonenmalerei hat sie während eines Aufenthalts im Ausland gefunden.

Kirsten Voß malt Ikonen
Kirsten Voß malt IkonenJulia Fischer / epd

Hamburg. Betritt man die Wohnung von Kirsten Voß, ist man erst einmal überwältigt vom Gold und von den vielen Gesichtern, die einem entgegenblicken. An allen Wänden hängen Bilder von Heiligen – meist auf einem Hintergrund aus Blattgold. Die Ikonen zeigen Jesus und Maria, Märtyrer und Bischöfe, Engel und Propheten in verschiedenen Größen. Gefertigt sind sie in aufwendiger Handarbeit. Das Malen einer Ikone ist hohe Kunst. Gelernt hat Kirsten Voß sie während ihres 15-jährigen Aufenthalts auf der griechischen Insel Kreta.
Ikonen sind für sie wie Fenster in die geistige Welt. Sie bilden nicht die reale Welt ab, erklärt Kirsten Voß. "Sie bilden das ab, was hinter der Realität steht – die Welt Gottes." Darum hätten sie auch keinen realen Hintergrund wie Wolken oder Landschaften, sondern Gold. Man bete Ikonen nicht an, man verehre sie. "Vergleichbar mit den Fotos von Kindern und Enkeln auf der Kommode." Ihrer Meinung nach muss man nicht in Ehrfurcht vor einer Ikone stehen. "Und man darf sie auch gern anfassen."

Große Bilder kosten mehrere tausend Euro

Ihre kleine Dachgeschosswohnung im ländlichen Hamburger Stadtteil Sinstorf südlich der Elbe ist Atelier, Büro und Wohnung zugleich. In den zwei Räumen gehen Arbeit und Privatleben ineinander über. Das Arbeiten an einer Ikone ist für sie aber auch mehr als nur ein Job. "Das braucht seinen Raum." Zwischendurch mal eben einkaufen funktioniere nicht. Dabei ist ihr wichtig, dass es nicht darum geht, der eigenen Kreativität freien Lauf zu geben. Die Vorlagen sind meist mehrere hundert Jahre alt. Sie setzt alte Modelle in frische Farbe, eigene Motive bringt ein Ikonenmaler nicht ein.
Kirsten Voß malt seit 1997 im Auftrag von Kunden. Sie möchte "für jeden Geldbeutel" etwas anbieten. Daher gibt es bereits kleine Ikonen für 180 Euro, die nicht größer sind als eine Spielkarte. Bei 50 oder 80 Zentimetern Breite, mit vielen Farben und Details gemalt, kann der Preis schon bei mehreren tausend Euro liegen. Ihre Kunden sind häufig Theologen, aber auch Psychologen oder Ärzte – doch nGRo´ßeur selten Kirchengemeinden. "Denen fehlt dafür meist das Geld."
Vor einem Auftrag bespricht Kirsten Voß oft lange mit dem Kunden, welche Ikone sie wie anfertigen soll. Natürlich beschäftigt sie sich vorher mit dem Heiligen, den sie malt. Sie kennt genau den Hintergrund jeder Ikone, die sie gemalt hat.

Ihre Staffelei ist ihre Kirche

Ikonen werden auch heute noch ausschließlich auf Holztafeln gemalt. Bis das Holz so weit vorbereitet ist, dass sie die Farben auftragen kann, muss Kirsten Voß viele Stunden in ihrer Werkstatt verbringen: Das Holz wird mit Leinen bezogen, mit 35 Schichten eines speziellen Leims aus Kaninchenhaut und Kreide bestrichen und vorsichtig mit Blattgold beschichtet. Insgesamt acht bis zehn Tage dauert es, bis sie eine Holzplatte zum Bemalen vorbereitet hat. "Dafür hält die Farbe dann jahrhundertelang."
Denn die Ikonen werden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Eine Ikone wirft man nicht weg. "Wer eine Ikone erbt und sie selbst nicht schön findet, behält sie trotzdem und gibt sie später weiter."
Sich selbst bezeichnet Kirsten Voß als "spirituelle Christin". Sie wuchs atheistisch auf, ließ sich aber während ihrer Zeit auf Kreta griechisch-orthodox taufen. "Ich verstehe mich ein bisschen als Brücke zwischen dem byzantinischen und unserem Christentum." In den Sonntagsgottesdienst geht sie trotzdem nur selten. "Wenn ich zu Hause an meiner Staffelei sitze und mit den Farben die Bilder der Heiligen, Märtyrer und Geschichten aus der Bibel male, dann bin ich in der Kirche." (epd)