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Schriftsteller Boyle: Empathie ist leider schmutziges Wort geworden

Der US-Autor T. C. Boyle ist für seine Romane ebenso bekannt wie für gesellschaftspolitische Aussagen. Nun meldet er sich erneut mit einem Appell zu Wort und spricht zudem über den Unterschied von Kunst und Religion.

Der Schriftsteller T. C. Boyle (76) fordert von den Menschen mehr Empathie. “Es gibt keine Frage auf die Antwort, warum wir hier sind. Aber wir können für unsere Leben nur Lösungen finden, wenn wir mit anderen mitempfinden”, sagte der US-Amerikaner der “Augsburger Allgemeinen” (Dienstag).

Leider sei Empathie ein schmutziges Wort geworden, so der Autor: “Die herrschende Schicht tut so, als wären wir mit dem Rest der Weltbevölkerung in einer Art Endschlacht um die schwindenden Ressourcen der Erde. Diejenigen, die nicht zu uns gehören, die sperren wir mit einer Mauer aus und lassen sie verhungern. Das ist die vorherrschende Meinung in der westlichen Gesellschaft und ganz besonders bei unserem aktuellen Regime in Washington.”

Boyle führte aus: “Was nach unserem Tod geschieht, ist völlig gleichgültig. Es kommt nur darauf an, lebendig zu sein und ein gutes Leben zu führen. Und ein gutes Leben für mich heißt: Ich betrüge niemand, ich tue niemand weh, ich manipuliere niemand.”

Gefragt nach der Funktion von Kunst antwortete Boyle: “Sie schafft Ablenkung – nicht unbedingt von der Politik, aber vom Zustand unserer Seele, von unserer Sterblichkeit, unserer Verwunderung darüber, dass wir wie Affen in einer völlig unerklärlichen Welt leben. Während uns Religionen und gesellschaftliche Denkmuster eine Sicherheit zu unserem Leben zu geben versuchen, zeigt der Künstler die Grenzen unseres Bewusstseins auf.” Kunst sei immer demokratisch gewesen, ergänzte Boyle. “Es ist völlig gleichgültig, wer sie schafft, solange sie großartig ist.”

Auf die Frage nach dem Grund für gesellschaftliche Spaltung nannte der Schriftsteller “Internetpropaganda”. Er erklärte: “Es gibt keine allgemein akzeptierte Wahrheit mehr. Das ist die Wurzel des Problems. Wahrheit ist das, was uns der jeweilige Provider auftischt.” Außerdem hinterfragten die Leute nichts mehr. Sie kapselten sich in ihrer Randgruppe ab und könnten nicht mehr über den Tellerrand hinausschauen.

T. C. Boyle hat diverse Kurzgeschichten und Romane verfasst, darunter “Wassermusik”, “Die Terranauten” und “Das Licht”. Jüngst ist sein Werk “No way home” erschienen.