Schausteller in der Krise

Die Schausteller leiden besonders darunter, dass keine großen Feste wegen Corona stattfinden können. Auch Schausteller-Pastor Friedrich Brandi ist in Sorge.

Der Hamburger Dom ist ein Besuchermagnet. Mit vier Wochen Dauer ist es das längste Volksfest Deutschlands und findet drei Mal im Jahr statt.
Der Hamburger Dom ist ein Besuchermagnet. Mit vier Wochen Dauer ist es das längste Volksfest Deutschlands und findet drei Mal im Jahr statt.Hamburger Dom/Henning Angerer

Hamburg. Von Tag zu Tag wird in der Corona-Krise auch die wirtschaftliche Situation der Schausteller dramatischer. „Wir leben seit Anfang des Jahres von unseren Ersparnissen und wissen nicht, wann wir wieder arbeiten können“, sagt Sascha Belli.

Belli ist Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes des Ambulanten Gewerbes und der Schausteller. Ihm gehört die Kinder-Achterbahn „Kuddel der Hai“. Von den Einnahmen, die der Betrieb abwirft, ernährt er eine fünfköpfige Familie. Aber irgendwann seien die Ersparnisse aufgebraucht – und dann? Doch es gibt einen Silberstreif am Horizont: In Hamburg soll es bald Ausnahmegenehmigungen geben.

„Wir sind wie eine große Familie“

Auch psychisch sei die Situation für viele nicht leicht, sagt Belli. „Wir sind das ganze Jahr über unter Menschen, und unser Job ist es, Abwechslung vom Alltag zu bieten.“ Alternativangebote sind für Zuckerwatte-Buden, Karussells und Entenangeln schwer denkbar. Für die meisten Betreiber sei der letzte Einsatz beim Weihnachtsmarkt 2019 gewesen. Darauf folgte die Winterpause, in der Fahrgeschäfte und Stände auf Vordermann gebracht werden. Das ist normal, und dafür wird rechtzeitig Geld beiseitegelegt. Doch in diesem Jahr folgte darauf direkt die Corona-Krise mit dem Verbot von Großveranstaltungen.

Die Schaustellerfamilien, die sonst von Fest zu Fest reisen und sich häufig begegnen, stehen in engem Kontakt miteinander. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Belli. Sie tauschen sich über die aktuelle Situation aus, sammeln Ideen und arbeiten gemeinsam an einem Hygienekonzept für Schausteller-Betriebe.

Keine Unterstützung von Fußballvereinen

Sorgen um die Branche macht sich auch der Hamburger Schausteller-Pastor Friedrich Brandi. Er habe vor allem zu Beginn der Corona-Krise verzweifelte Anrufe bekommen. Dem ein oder anderen konnte er mit einer einmaligen Zahlung aus einem Nothilfefonds der Evangelischen Kirche in Deutschland helfen. Inzwischen haben viele Betriebe Gelder aus dem ersten Rettungspaket von Bund und Ländern beantragt. Um Schausteller und Zirkusse aber auch darüber hinaus zu unterstützen, startete Brandi einen Aufruf an „verwandte Unternehmer“, wie er sagt: die Fußballvereine.

In einem Brief an die Präsidenten des FC St. Pauli, des HSV und zweier weiterer Bundesliga-Vereine schlug er vor, einen Hilfsfonds aufzulegen. Schließlich sorgten auch Bundesligaspiele oft für eine „volksfestähnliche Unterhaltung“. Zudem seien der Kultverein St. Pauli und der Hamburger Dom quasi „Nachbarn“. Er appellierte sowohl an die Vereine als auch an die oft missgünstig beäugten „Fußballmillionäre“, sich auf diese Weise solidarisch einzusetzen für Unternehmer, denen „das Wasser bis zum Hals steht“. Die Resonanz war ernüchternd: zwei Absagen und zwei Mal keine Antwort. „Vielleicht war es ein Fehler, nicht geschrieben zu haben, dass auch schon kleine Summen eine große Hilfe wären“, so Brandi.

Zusätzliche Aufstellmöglichkeiten für Schausteller schaffen

#Sascha Belli hat Ideen, wie es wieder losgehen könnte – selbstverständlich unter Einhaltung der offiziellen Hygienemaßnahmen. Denkbar wären für ihn Sondergenehmigungen für Buden, die dezentral über die Stadt verteilt stehen könnten. „Der Dom ist abgesagt, das ist klar. Aber fünf Büdchen auf dem Wandsbeker Markt kann ich mir gut vorstellen – da ließen sich die nötigen Abstände einhalten.“ Auch Karussells könnten sich drauf einstellen und etwa nur Personen aus einem Haushalt pro Gondel einlassen. Seine Anregung ist auf offene Ohren gestoßen: Wirtschafts- und Finanzbehörde kündigten an, für Schausteller zusätzliche Aufstellmöglichkeiten zu schaffen.

Der Hamburger Dom findet drei Mal im Jahr statt und ist mit jeweils vier Wochen das längste Volksfest Deutschlands. 2019 kamen insgesamt 7,2 Millionen Besucher. In diesem Jahr wurden bereits der Frühjahrs- und der Sommer-Dom abgesagt. Der Winter-Dom ist vom 6. November bis 6. Dezember geplant. Bis 31. August sind Großveranstaltungen verboten. Ob und wie der Winter-Dom stattfinden werde, sei derzeit leider noch völlig unklar, heißt es von der Wirtschaftsbehörde.