Schätze aus dem Kirchenarchiv gehoben

50 Grafiken von Ernst Barlach besitzt die Nordkirche. In drei Ausstellungen wird jetzt ein Großteil davon zu sehen sein – zum 150. Geburtstag des Künstlers.

Matthias Wünsche zeigt Werke von Ernst Barlach
Matthias Wünsche zeigt Werke von Ernst BarlachMirjam Rüscher

Güstrow/Hamburg/Kiel. „Man entdeckt einfach immer noch etwas Neues, wenn man genau hinschaut.“ Matthias Wünsche beugt sich über ein Bild und betrachtet es aufmerksam, bevor er weiterblättert. Von Leid gezeichnete Gesichter, gebeugte Körper, nachdenkliche Posen, manche grob dargestellt, manche mit vielen kleinen Details – die schwarz-weißen Motive, die Drucke zeigen eine große Vielfalt. In der Grafiksammlung der Nordkirche im Dorothee-Sölle-Haus in Hamburg zeigt der Studienleiter für den Fachbereich Kirchenpädagogik der Nordkirche einige Werke von Ernst Barlach.

Etwa 50 Grafiken des norddeutschen Künstlers besitzt die Nordkirche in ihrer rund 5000 Exponate umfassenden Grafiksammlung. Im Barlach-Jahr 2020 geben drei Ausstellungen erstmals einen umfassenden Einblick in den Barlach-Teil der Sammlung. Im August geht es zunächst nach Güstrow. Im Dom, wo „Der Schwebende“ von Ernst Barlach als Ehrenmal zum Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs wacht, wird die erste von drei Ausstellungen zu sehen sein.

Eröffnung verschoben

Eigentlich sollte diese Ausstellung bereits zu Pfingsten eröffnet sein, wegen der Corona-Krise haben sich die Termine verschoben. Nun liegen die Grafiken für den Dom schon sortiert bereit und warten auf ihre Abreise. Im Oktober geht es weiter nach Hamburg, in die Hauptkirche St. Petri, und im November findet die dritte und abschließende Ausstellung im Kieler Kloster statt.

Schreibender Prophet
Schreibender Prophet

Die Idee zu den drei Ausstellungen anlässlich Barlachs 150. Geburtstages hatte Anna Luise Klafs, Studienleiterin für Kunst & Kirche in der Nordkirche. Sie selbst habe zunächst gar nicht gewusst, wie viele Grafiken Barlachs die Sammlung enthält. Das Jubiläumsjahr sei eine gute Gelegenheit, einen Großteil der Werke zu zeigen. „Die Auseinandersetzung mit dem Brüchigen, Krisen deuten – das war Barlachs Thema“, sagt Klafs – ungeahnt aktuell in diesem Jahr.

Etwa 20 Grafiken pro Ausstellung sind geplant. Die Bilder wurden von den Verantwortlichen vor Ort in enger Abstimmung mit Klafs und Wünsche ausgesucht. Jede Ausstellung bekommt ihren ganz eigenen Schwerpunkt durch die Verbindung mit dem Ort. „Wir haben geschaut, wo wir Barlach ganz greifbar, wirklich vor Ort haben“, erklärt Matthias Wünsche. So habe man auch die Standorte für die Ausstellungen ausgewählt.

Sammlung neu entdeckt

Während „Der Schwebende“ eine gewisse Leichtigkeit assoziieren und den Fokus auf Wandlungen legen lässt, steht am Mahnmal in Hamburg eher die Kriegsthematik im Mittelpunkt, und in Kiel gibt es ein Zusammenspiel mit dem „Geistkämpfer“. „Die Geschichte des Geistkämpfers soll in der Ausstellung in Kiel auch noch einmal erzählt werden. Sie ist sehr spannend und gut dokumentiert“, erklärt Wünsche.

Nicht nur die Werke von Barlach, sondern die gesamte Grafiksammlung der Nordkirche hat über viele Jahre ein Schattendasein geführt, meint Matthias Wünsche. „Wir haben daher angefangen, ganz proaktiv zu schauen, welche Bilder wir an welchen Orten ausstellen können. Dazu gehören natürlich Todestage und Jubiläen“, so Wünsche.

Christus in Gethsemane
Christus in Gethsemane

Das 20. Jahrhundert, im Besonderen die Kunst der Gegenwart, bildet den Schwerpunkt der Sammlung, die 1974 begonnen wurde. Barlach, Otto Dix, Max Beckmann, Käthe Kollwitz und viele andere Künstler sind darin mit ihren Werken vertreten. Mithilfe von Ausstellungs-Modulen zu Themen wie Licht, Gottesbilder oder das Böse sollen Gemeinden künftig leicht Exponate der Sammlung zeigen können.

Info
Die erste Ausstellung „Barlach in der Nordkirche“ ist im Dom zu Güstrow vom 1. bis 30. August zu sehen. Vom 5. bis 24. Oktober findet die zweite Ausstellung in der Hauptkirche St. Petri in Hamburg statt und vom 1. bis zum 27. November die dritte im Kieler Kloster. Weitere Infos gibt es auf www.kulturhimmel.de.