Artikel teilen:

Rettung einer ukrainischen Kunstsammlung

Am Sonntag eröffnet das Kurpfälzische Museum in Heidelberg eine Ausstellung mit 45 Gemälden aus dem Museum für Westliche und Östliche Kunst in Odessa, das europäische und ostasiatische Kunst sammelt. Unter dem Titel „Meisterwerke aus Odesa – Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts“ gewährt sie Einblick in die Sammlungsgeschichte des durch Krieg bedrohten Hauses in der Ukraine. „Das Publikum erwartet das Fremde, doch es begegnet dem Vertrauten – und darin besteht die eigentliche Neuentdeckung,“ sagt Museumsdirektor Frieder Hepp. Das liege daran, dass sich Odesa – für die Ausstellung wie im Ukrainischen mit einem s geschrieben – an der Ordnung und den Schwerpunkten europäischer Museen orientiere.

Vermittelt wurde das Projekt durch Dagmar Hirschfelder, heute Leiterin der Berliner Gemäldegalerie, früher im Kurpfälzischen Museum Heidelberg tätig. Dann habe Hepp mit Ihor Poronik, dem Direktor des Museums aus Odessa über den Krieg gesprochen. „Der erste Treffer ging in die Kirche,“ habe dieser gesagt, „der zweite in die Bibliothek – der dritte wird unser Museum zerstören.“ Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 wurden nach Angaben des Arte-Magazins rund 40 ukrainische Museen mit etwa 1,5 Millionen Exponaten zerstört oder geplündert. Angesichts dieser Bedrohung entstand die Idee, die Sammlung zu retten und in Deutschland auszustellen. Zuerst war sie bis Juni 2025 in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen.

In den intimen Räumen des Heidelberger Museums treten die Bilder aus Odessa in Dialog mit Bildern aus der Kurpfälzischen Sammlung. „Von den vielen zu den ukrainischen Werken passenden Bildern haben wir diejenigen ausgewählt, die den größten Erkenntnisgewinn ermöglichen,“ sagt Kuratorin Julia Carrasco. Dazu zählt an zentraler Stelle die „Entführung der Europa (Madame de Montespan mit ihren Kindern)“ (um1675) von Pierre Mignard (1612-1695). Es steht den Ausstellungsmachern zufolge symbolisch für die Gefährdung europäischer Werte. Laut Hepp zeigt es die Geliebte von König Ludwig XIV., die auf Zeus in Gestalt eines mit Blumen geschmückten Stiers reitet und ihn an den Hörnern packt, wobei der Stier den König selbst verkörpert.

Seite an Seite hängt es neben dem Bild „Entführung Europas“ aus dem 16. Jahrhundert von Jacopo da Ponte (1510/15-1592) aus dem ukrainischen Museum. Besonders stolz ist das Museumsteam auf die Porträts der Evangelisten Matthäus und Lukas von Frans Hals (1580/1585-1666) aus der ukrainischen Sammlung. Es sind laut Katalog mit zwei weiteren Porträts die einzigen religiösen Bilder des niederländischen Malers. In den Ausstellungsräumen sind neben den Ölgemälden auch wandgroße Fotografien des Jugendstil-Museums in Odessa zu sehen.

„Und wir haben noch einen von Poronik kreierten Film,“ ergänzt Pressesprecherin Annina Seele: „Dieser zeigt das Museum in früheren Zeiten, als noch alles in Ordnung war, den russischen Angriff und den Museumsdirektor inmitten von leeren Bilderrahmen, nachdem die Gemälde nach Berlin gebracht wurden.“ Mit Bildern der elegant gekleideten Bürgerschaft bei Vernissagen erinnert er an alte Zeiten. „Der europäische Vertrag besagt,“ erklärt Hepp, „dass mit der Europäischen Union kein Volk und auch keine Nation gegründet wurde, sondern eine Gesellschaft, die durch die Demokratie definiert ist – und durch Kultur.“

Diesen Aspekt verdeutlicht auch die Städtepartnerschaft zwischen Odessa und Heidelberg seit Mai 2025, die für kulturellen Austausch und gemeinsame europäische Werte in Zeiten des Krieges steht. „Und diese Ausstellung zeigt, dass die Gesellschaft der Kultur so reibungslos funktioniert wie ein Fußballteam,“ fügt Hepp hinzu. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. (2631/16.10.2025)