Queere Menschen in katholischer Kirche outen sich mit Kampagne

Sie sind alle in der katholischen Kirche tätig, einige als Priester: 125 Menschen outen sich in einer großen Aktion, etwa als schwul oder lesbisch. Für manche kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben.

Ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare, hier in der Frankfurter Liebfrauenkirche (Archivbild)
Ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare, hier in der Frankfurter Liebfrauenkirche (Archivbild)Thomas Lohnse / epd

Bonn. Es ist eine große konzertierte Aktion: Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche geoutet. Sie alle sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community, wie die Initiative „#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst“ mitteilt. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, „dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität“ nicht zur Kündigung führe.

Am Montagabend zeigt die ARD um 20.30 Uhr die Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ des Produzenten Hajo Seppelt. In der Produktion von RBB, SWR und NDR erzählten nicht-heterosexuelle Menschen vom „Kampf um ihre Kirche“, erklärte der RBB. Die ARD-Mediathek präsentiert zusätzlich Video-Statements aller 100 im Film gezeigten Personen. Die Produzenten bezeichnen das Projekt als das „größte Coming Out in der Geschichte der katholischen Kirche“.

Warum Konsequenzen drohen

Für Beschäftigte bei der katholischen Kirche gilt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Danach müssen sie Loyalitätsverpflichtungen beachten, die auch das Ausrichten der eigenen Lebensführung an den Grundsätzen der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre umfasst. Das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe kann als Verstoß gegen diese Verpflichtung gesehen werden und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Neben einer Überarbeitung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen fordert #OutInChurch zudem „einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern in der Kirche“. Die Kirche trage Verantwortung für die Menschenrechte von Personen aus der queeren Community weltweit. Sie müsse daher „diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen“ zu Sexualität und Geschlechtlichkeit auf Grundlage humanwissenschaftlicher und theologischer Erkenntnisse revidieren.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße
Der Hamburger Erzbischof Stefan HeßeRalf Adloff / epd

Anerkennend über die Initiative äußert sich der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. „Ich habe Respekt vor den Menschen, die sich in dieser Aktion zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen“, teilt Heße mit. „Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein.“ Vor Authentizität und Transparenz dürfe und solle es keine Furcht geben.

Heße bot den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Initiative aus dem Erzbistum Hamburg ein Gespräch an. Er verwies zudem auf den derzeit laufenden Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg. Die dortige Diskussion zum Thema Sexualität sollte „zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral und auch des kirchlichen Arbeitsrechts führen“, forderte der Erzbischof.

„An mir ist nichts falsch“

Die Deutungshoheit darüber, wer katholisch sei und wer nicht, dürfe nicht den Konservativen überlassen werden, sagte Jens Ehebrecht-Zumsande, Mitinitiator von #OutInChurch und schwuler Religionspädagoge im Erzbistum Hamburg, gegenüber dem „Spiegel“. „An mir ist nichts falsch.“ Notwendig sei eine politische Debatte darüber, dass im Jahr 2022 eine Institution mit ihrem Arbeitsrecht fundamentale Menschenrechte verletzt. „Das kirchliche Arbeitsrecht muss geändert werden, damit niemand mehr aufgrund seiner sexuellen Identität seinen Job, seine Karriere und sein Auskommen verlieren kann.“ (KNA/epd)