Prozess zum Angriff auf jüdischen Studenten ohne Öffentlichkeit

Er hat im Oktober des vergangenen Jahres einen jüdischen Studenten vor eine Synagoge lebensgefährlich verletzt. Der Prozess gegen den 29-Jährigen findet ohne Zuschauer statt – wegen seiner Schizophrenie.

Die Polizei hat am 4. Oktober 2020 den Tatort abgesperrt
Die Polizei hat am 4. Oktober 2020 den Tatort abgesperrtTimo Teggatz

Hamburg. Vor dem Hamburger Landgericht hat der Prozess gegen einen Mann begonnen, der am 4. Oktober 2020 einen 26-jährigen jüdischen Studenten vor einer Hamburger Synagoge niedergeschlagen hat. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Lediglich eine Vertretung der Jüdischen Gemeinde Hamburg werde zur Prozessbeobachtung zugelassen, teilte die Gerichtspressestelle mit. Der Beschuldigte leidet nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft unter einer paranoiden Schizophrenie und wahnhaften Verfolgungsängsten und sei deshalb möglicherweise schuldunfähig. Sie will deshalb beantragen, ihn dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringen zu lassen. Der Prozess ist vorerst terminiert bis Ende März.

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Deutschen mit kasachischen Wurzeln versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Der 29-jährige Mann hatte den jüdischen Studenten vor der Synagoge mit einem Kurzspaten lebensgefährlich verletzt. Eine rechtsextremistische oder antisemitische Weltanschauung hat nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft bei der Tat offenbar keine entscheidende Rolle gespielt. Seine krankheitsbedingten Wahnvorstellungen richteten sich zwar vor allem gegen jüdische Einrichtungen und Personen. Bedroht gefühlt habe er sich aber unter anderem auch durch das Christentum.

Protest vor Landgericht

Rund 50 Personen protestierten vor dem Landgericht dagegen, dass die Generalstaatsanwaltschaft Antisemitismus nicht als Tatmotiv anführt. Damit beteilige sie sich an der „Normalisierung des rechten Terrors“, erklärte ein Vertreter der Initiative „Sous la Plage“, die zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Bei rechtsterroristischen Anschlägen werde häufig die Biografie der Täter nach Anzeichen für psychische Krankheiten durchleuchtet, ergänzte Mitorganisatorin Anne Blücher. Dadurch werde das politische Motiv der Taten ausgeblendet.

Das aufgemalte Hakenkreuz, das in der Hosentasche des Beschuldigten gefunden wurde, ändert nach Aussage der Generalstaatsanwaltschaft nichts an der Einschätzung. Dem Beschuldigten sei aus seinem privaten Umfeld wohlmeinend geraten worden, sich gegen die von ihm wahrgenommenen Dämonen mit einer solchen Zeichnung zu schützen. Dabei sollte das Hakenkreuz in seiner ursprünglichen Bedeutung als Symbol des Lichts und der Sonne Schutz bieten. Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass der Beschuldigte vor seiner psychiatrischen Erkrankung antisemitisches oder rechtsextremistisches Gedankengut vertreten habe. Vollständig ausgeschlossen werden könne dies zurzeit jedoch nicht.

In Tarnuniform

Der Beschuldigte war laut Medienberichten 2016 bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er trug während der Tat eine Tarnuniform der Bundeswehr. Nach seiner Bundeswehrzeit lebte er in Berlin in einer Unterkunft für wohnungslose Männer. Im November 2019 hatte die Einrichtung den sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet, sodass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Er hatte zuletzt zwar eine Meldeanschrift in Berlin, wohnte aber in Hamburg-Langenhorn in einer Einrichtung von „Fördern und Wohnen“. (epd)