Projekt für Straßenkinder muss weichen

„KIDS“ hat die Kündigung für seine Räume am Hauptbahnhof bekommen. Grund ist eine Sanierung. Doch eine Zwischenlösung deutet sich an.

Yusuf Uzundag vor den Räumen des Straßenprojekts "KIDS"
Yusuf Uzundag vor den Räumen des Straßenprojekts "KIDS"Privat

Er erinnert sich noch ganz genau: „Im Februar 1993 sind wir hier eingezogen“, sagt Yusuf Uzundag. Der Sozialpädagoge spricht vom Projekt „Kinder in der Szene“ (KIDS), das Straßenkinder betreut. Träger ist der Verein basis & woge. Doch jetzt ist der Standort gefährdet: Das Projekt hat für seine Räume im Bieberhaus direkt am Hauptbahnhof die Kündigung erhalten. Zum 1. Oktober soll die Initiative ausziehen, denn der Eigentümer, die Alstria Office Reit AG, plant eine Sanierung.
„Das Bieberhaus wird zur Großbaustelle“, heißt es von Alstria. Betroffen ist allerdings nur ein Teil des Bieberhauses, in dem neben dem KIDS auch das Finanzamt sitzt, das ebenfalls ausziehen wird. Zwei Jahre sind für die Arbeiten vorgesehen. Die anderen Teile des Gebäudes sind bereits in den vergangenen Jahren saniert worden. Dazu gehören unter anderem die Räume des Ohnsorg-Theaters, das vor sechs Jahren ins Bieberhaus gezogen ist.

"Schicke Geschäfte" anstelle des sozialen Projekts?

Kein Verständnis für die Kündigung hat Sozialpädagoge Uzundag. Nach der Sanierung würden bestimmt „schicke Geschäfte“ in die Räume einziehen, prophezeit er. Doch es müsse auch in zentraler Lage „die Mischung stimmen“, auch ein soziales Projekt habe eine Berechtigung für einen solchen Standort.
Als Eigentümer des Gebäudes unterstütze Alstria das KIDS-Projekt bei der Suche nach einer neuen Bleibe. Mehrere Makler würden nach einem neuen Standort suchen, allerdings bislang ohne Erfolg. Anfragen nach geeigneten Räumen bei der Stadt und der Deutschen Bahn seien erfolglos verlaufen, rechtfertigt sich das Unternehmen. Und alternative Standorte in benachbarten Stadtteilen habe das KIDS abgelehnt. „Wir müssen in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs bleiben“, sagt Yusuf Uzundag. Denn hier würden sich die Jugendlichen aufhalten. Eine Fahrt in einen anderen Stadtteil würden sie nicht auf sich nehmen.
In den Räumen des KIDS betreuen Sozialarbeiter jeden Tag 20 bis 40 Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren. Sie bekommen eine warme Mahlzeit, können sich duschen und werden in Einzelgesprächen beraten.

Container als Zwischenlösung

Zumindest eine Lösung für den Übergang zeichnet sich nun ab. Die Sozialbehörde hat in Aussicht gestellt, für das KIDS einen Container aufzustellen. Momentan laufen Gespräche zwischen dem Straßenkinder-Projekt und der Behörde. Geklärt werden muss etwa die Größe des Containers. Das KIDS wird seit 1993 komplett von der Sozialbehörde finanziert, in diesem Jahr fließen 750 000 Euro.
Aus der benachbarten Kirchengemeinde St. Georg / Borgfelde erhält das KIDS viel Unterstützung. Man sei seit Jahrzehnten mit dem Straßenkinder-Projekt verbunden, sagt Pastor Gunter Marwege. Er betont, dass das Projekt wichtige Arbeit leiste. Bei der Suche nach einem neuen Standort wollte die Gemeinde helfen und ihre Kontakte spielen lassen – allerdings ohne Erfolg. Auch die eigenen Räume seien für das Projekt nicht geeignet. Pastor Marwege rückt einen anderen Aspekt in den Fokus: „Warum musste das Bieberhaus überhaupt verkauft werden?“, fragt er. Denn bis 2006 war das Gebäude in öffentlicher Hand, dann erwarb Alstria es.
Inzwischen macht das KIDS-Projekt auf sein Problem aufmerksam: Im Internet haben die Mitarbeiter eine Petition gestartet, fordern ihren Verbleib am Hauptbahnhof.  Mehr als 4500 Menschen haben schon ihre digitale Unterschrift geleistet. Die Liste wollen die Mitarbeiter bald an Bürgermeister Olaf Scholz übergeben.