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Plädoyer für einen offenen Ort des Innehaltens

Claudia Paganini forscht am Institut für Christliche Philosophie der Universität Innsbruck. Die Wissenschaftlerin hat ein Buch*) über Gipfelkreuze geschrieben – und sich Gedanken über den Umgang mit Konflikten rund um die Kreuze gemacht. Drei Fragen an sie zur Tradition der Gipfelkreuze.

Gipfelkreuze sind ein prägendes Element in den Alpen – wofür stehen sie?
Es gibt da zwei große Linien: Einmal die Traditionen der Einheimischen, für die Gipfelkreuze ein Ausdruck ihrer Frömmigkeit waren. Zum anderen sind sie aber seit dem 18., 19. Jahrhundert auch ein Symbol, mit dem Alpinisten ihre eigenen Leistungen dokumentierten.

In den vergangenen Jahren haben sich immer wieder Diskussionen an ihnen entzündet. Wie bewerten Sie die Kreuze ethisch?
Mir ist es wichtig, die Gipfelkreuze aus der Tradition heraus zu verstehen. Und da ist es eigentlich wie bei allen religiösen Traditionen: Solange dadurch nicht die religiösen Gefühle anderer Menschen verletzt werden – oder sie gar irgendwie rassistisch sind –, haben sie als Tradition eine Berechtigung, weitergegeben zu werden.
Die andere wichtige Frage ist: Was kann uns das Gipfelkreuz auf der inhaltlichen Ebene heute noch geben? Da könnte ich mir als Lösung durchaus vorstellen, dass man das etwas offener interpretiert – nicht als Machtbeweis für einen Glauben, sondern als einen Ort, an dem ein Mensch innehalten und sich seiner eigenen Endlichkeit bewusst werden kann.

Wie ließe sich diese „Offenheit“ praktisch umsetzen?
Es wäre zum Beispiel möglich, dass man an den Gipfelkreuzen kleine Täfelchen mit Texten oder Impulsen anbringt, die klar werden lassen, dass es auch eine große Offenheit gibt für Menschen mit anderen religiösen Überzeugungen und Hintergründen.
Das muss man vielleicht nicht auf kleineren Bergen machen, auf denen vor allem Einheimische unterwegs sind. Aber gerade für große Gipfel, auf die viele Urlauber und Menschen aus allen möglichen Bevölkerungsgruppen heraufkommen, wäre das eine Idee. epd

*) Claudia Mathis: Dem Himmel so nah – Von Gipfelkreuzen und Gipfelsprüchen. Berenkamp Verlag, 160 Seiten, farbige Abbildungen. 16,10 Euro. Hinweis: Claudia Paganini verfasste das Buch unter ihrem damaligen Namen Mathis.