Pflegebegutachtungen künftig auch per Videotelefonie möglich

Wer Leistungen der Pflegeversicherung bekommen soll, muss von Gutachtern in einen Pflegegrad eingestuft werden. Das war lange Zeit nur bei einem Hausbesuch möglich – soll sich aber nun ändern.

Bei Begutachtungen von Pflegebedürftigkeit kann künftig neben persönlichen Besuchen und Telefoninterviews auch die Videotelefonie eingesetzt werden. Unter welchen Voraussetzungen die Gutachter Video nutzen können, regeln die überarbeiteten Richtlinien des Medizinischen Dienstes Bund, die am Donnerstag in Kraft treten, wie der Medizinische Dienst am Mittwoch in Essen mitteilte. Grundlage ist das im Frühjahr in Kraft getretene Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens.

“Videobasierte Telefoninterviews sind ein weiterer wichtiger Schritt, um auch bei steigenden Begutachtungszahlen eine zeitnahe Begutachtung der Versicherten und damit einen zeitnahen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung sicherstellen zu können”, sagt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund.

Aufgrund des demografischen Wandels und der Leistungsverbesserungen durch die Pflegereform 2017 ist die Zahl der Pflegebegutachtungen von 1,8 Millionen Begutachtungen 2017 auf 2,88 Millionen 2023 gestiegen. Das Hineinwachsen der Babyboomer-Generation ins Rentenalter wird laut Experten-Prognose zu weiter steigenden Begutachtungszahlen führen.

“Mit der Videotelefonie können die Medizinischen Dienste ihre Gutachterinnen und Gutachter zielgerichteter einsetzen und alle notwendigen Informationen im sichtbaren Kontakt mit den Beteiligten erheben”, so Engler. “Vorteile hat dieses ortsungebundene Format auch für An- und Zugehörige, die beim Begutachtungstermin nicht vor Ort sein können.”

Derzeit werden die Voraussetzungen für die Videobegutachtung in einem großen Projekt untersucht. Hierzu wird unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Bremen geprüft, inwieweit die Ergebnisse einer videobasierten Begutachtung mit den Ergebnissen einer persönlichen Begutachtung vor Ort übereinstimmen. Zudem wird geprüft, wie weit Videogespräche für die Beteiligten praktikabel und sinnvoll erscheinen. Das Projekt läuft bis 2026.

Pflegebegutachtungen waren bis ins vergangene Jahr hinein grundsätzlich nur im Hausbesuch möglich. Mit Blick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel und aufgrund ihrer Erfahrungen aus den telefonischen Begutachtungen während der Corona-Pandemie hatten sich die Medizinischen Dienste für eine Flexibilisierung der Begutachtungsformate eingesetzt.