Die politische Krise in Peru hat sich zugespitzt. Nur sechs Monate vor den geplanten Neuwahlen hat der Kongress in der Nacht auf Freitag ohne Gegenstimmen die bisherige Präsidentin Dina Boluarte abgesetzt, die für eine Welle der Gewalt im Land verantwortlich gemacht wird.
Zum neuen Staatschef bestimmten die Abgeordneten den Parlamentspräsidenten von der christdemokratischen Partei Somos Peru, José Jeri. Sein Ziel sei es, bis zu den Neuwahlen im April eine Übergangsregierung zu führen, die Brücken baue und einen Konsens zur Bekämpfung der Kriminalität im Land schaffe.
Die abgesetzte Präsidentin Boluarte erklärte nach ihrer Absetzung: „Ich habe immer nur an die 34 Millionen Peruanerinnen und Peruaner gedacht, die eine korruptionsfreie Regierung verdienen“. Die Entscheidung des Parlaments gefährde die demokratische Stabilität des Landes, erklärte die konservative Politikerin laut der Zeitung „La República“.
Seit mehreren Jahren nimmt in Peru die Gewalt von kriminellen Banden stark zu. Schulgemeinschaften und Busunternehmen berichten immer wieder von Schutzgelderpressungen. Laut der Zeitung „El Comercio“ sahen allein im Jahr 2024 über 175 private Träger von Schulen aufgrund der Drohungen durch Kriminelle keine andere Möglichkeit, als ihre Einrichtung zu schließen. Erst Anfang Oktober streikten die Busfahrer der Hauptstadt Lima. Sie forderten mehr Polizei und Sicherheitsmaßnahmen, da sie aufgrund der Erpressungen nicht mehr profitabel arbeiten könnten.
Am Mittwochabend kam es zudem zu einer Schießerei bei einem Konzert der peruanischen Band „Agua Marina“, bei dem vier der Musiker und ein Tontechniker verletzt wurden. Auch in diesem Fall vermutet die Polizei nicht beglichene Schutzgeldzahlungen als Auslöser.
Darüber hinaus erschütterten mehrere Korruptionsskandale die Regierung. Boluarte wurde aufgrund des öffentlichen Tragens von teurem Schmuck der Annahme von Schmiergeldzahlungen verdächtigt. Dagegen gingen an den vergangenen Wochenenden vor allem Jugendliche unter dem Slogan „Gen Z gegen Korruption“ auf die Straße.
Dina Boluarte war im Dezember 2022 vom Parlament zur Übergangspräsidentin ernannt worden, nachdem ihr Vorgänger Pedro Castillo versucht hatte, den Kongress aufzulösen. Die konservative Politikerin verfügte zunächst über eine parlamentarische Mehrheit und entschied sich entgegen früheren Zusagen, keine vorgezogenen Neuwahlen abzuhalten. Sie setzte stattdessen reguläre Wahlen für April 2026 an.
Sie selbst versprach mehrmals, aktiv Kriminalität zu bekämpfen. Proteste bezeichnete sie allerdings als „umstürzlerisch“. Insbesondere zu Beginn ihrer Amtszeit ging die Polizei rabiat gegen Demonstrationen vor. Laut der Zeitung „La República“ starben allein in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit mindestens 66 Demonstrierende.