Pastoren auf Geschichtstour

Der Stormarner Pastor Christian Schack organisiert mit seinem amerikanischen Kollegen Studienreisen, um junge Menschen für die Gefahren des Rechtsextremismus zu sensibilisieren.

In der Sieker Pastoratsscheune: Christian Schack (l.) und sein amerikanischer Kollege Matthew Coomber.
In der Sieker Pastoratsscheune: Christian Schack (l.) und sein amerikanischer Kollege Matthew Coomber.Marc R. Hofmann

Siek. Junge Menschen über die Nazizeit aufklären und an die Schauplätze der Verbrechen führen: Das ist das Anliegen von Christian Schack. Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Matthew Coomber organisiert der Pastor aus Siek im Kreis Stormarn eine Reise für amerikanische Studenten nach Deutschland, Österreich und Tschechien. Coomber lehrt an der St.-Ambrose-University im US-Bundesstaat Iowa, die beiden Geistlichen kennen sich von einem Schüleraustausch vor 27 Jahren. Sie haben den Kontakt seither gehalten.

Nun wollen sie gemeinsam mit den Studenten durch Europa reisen. Coomber war zuvor schon über den Sommer mit seiner Familie in Siek zu Besuch, und in diesen Tagen ist Schacks 15-jährige Tochter Frida zu einem Auslandsjahr in die Nähe von New York aufgebrochen.

Jugendliche zu mehr Zivilcourage ermutigen

„Das Thema Nationalsozialismus spielt bei mir auch in der Familie und im Konfirmandenunterricht eine wichtige Rolle“, sagt Schack. Regelmäßig biete er Fahrten in die KZ-Gedenkstätte in Hamburg-Neuengamme und nach Berlin an. „Es ist wichtig, auch schon Kinder und Jugend­liche an die Materie heranzuführen“, meint der 45-Jährige.

Was Schack und Coomber zu der Reise antreibt, ist die Angst vor einem Erstarken der neuen Rechten in Deutschland und den USA. „Wir wollen die Teilnehmer zu mehr Zivilcourage ermutigen“, sagt Schack. Anhand prominenter Beispiele wie der Studentin Sophie Scholl und des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer soll verdeutlicht werden, welches Risiko es bedeutete, im Widerstand zu sein. „Sie bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben“, sagt Schack. Doch es gebe auch ermutigendere Fälle. Otto Weidt, in Berlin Betreiber einer Blindenwerkstatt, gelang es, viele seiner jüdischen Mitarbeiter vor Verfolgung zu schützen. „Er hat im kleineren Maßstab gehandelt wie Oskar Schindler“, so Schack.

„Man merkt, wie es ‚Klick‘ macht“

Für die Reise mit den Amerikanern hat sich Christian Schack Urlaub genommen, will zum ersten Mal die komplette Tour über drei Wochen begleiten. Auf dem Programm stehen neben dem Holocaust-Mahnmal in Berlin das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und das frühere Konzentrationslager in Dachau. Weitere Stationen sind Prag, das KZ in Theresienstadt und die Gedenkstätte Lidice in Tschechien, die an ein Massaker der NS-Sicherheitsbehörden an der männlichen Bevölkerung des Ortes im Jahr 1942 erinnert. Danach geht es weiter nach Salzburg in Österreich.

„Für viele der US-Studenten ist es das erste Mal im Ausland“, sagt Schack. Zu Anfang sei es mitunter erschreckend, wie unaufgeklärt die Teilnehmer seien. „Aber auf der Reise merkt man, wie es ‚Klick‘ macht“, sagt der Pastor. Die Konzentrationslager führten die Verbrechen des NS-Regimes schonungslos vor Augen, das Reichsparteitagsgelände und seine Ausstellung aber auch die Überzeugungskraft der Ideologie. „Da merken die Teilnehmer, was hier passiert ist und dass es wieder passieren kann.“

Erfahrungen wirken nachhaltig

Für Coomber ist es bereits die dritte Studienfahrt nach Deutschland, die er im Abstand von etwa zwei Jahren organisiert. Er sagt: „Das Dritte Reich gilt in den USA bis heute als Beispiel für das Böse.“ Das Interesse daran sei noch immer groß. Dennoch würde rechtsextremes Gedankengut zunehmend wieder Eingang in die Gesellschaft finden. „Es macht mir Angst, wie leicht Vorurteile den Menschen heute wieder über die Lippen kommen“, sagt Coomber. Der 44-Jährige will vermitteln, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten zwar in Deutschland passierten, aber kein rein deutsches Problem sind – „sondern ein menschliches“, wie er sagt. Das sei heute aktueller denn je.

Die Erfahrung präge die Studenten, die meisten von ihnen zwischen 18 und 23 Jahre alt und im Bachelor eingeschrieben, nachhaltig. „Ich hatte kürzlich erst Besuch von einem Paar, das gerade geheiratet hat und mir erzählt hat, wie es die Reise verändert hat“, so Coomber. Auch die Pastoren, die sich beide für die Rechte von Minderheiten starkmachen, beeinflusst das Programm. Der Amerikaner sagt: „Politik nicht in der Predigt anzusprechen, wäre auch eine Politik.“ Schack stimmt zu, aber: „natürlich nicht im parteipolitischen Sinn“. Sie planen schon weitere Reisen nach Deutschland – in Zukunft vielleicht sogar mit Stationen in Hamburg und Umgebung.