Paragraf 218: Was die Regelung außerhalb des Strafrechts so schwierig macht

Die Ampelkoalition prüft durch Fachleute, wie Abtreibungen straffrei geregelt werden können. Doch das Vorhaben ist kompliziert und stößt auf gesetzliche und gesellschaftliche Hindernisse.

Kundgebung unter dem Motto "150 Jahre Widerstand gegen Paragraph 218 StGB sind genug! - Es reicht!" in Berlin, November 2021 (Archivbild)
Kundgebung unter dem Motto "150 Jahre Widerstand gegen Paragraph 218 StGB sind genug! - Es reicht!" in Berlin, November 2021 (Archivbild)Imago / Christian Ditsch

In den vergangenen Jahren wurde zunehmend die Forderung laut, den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafrechtskatalog zu streichen. Vor allem in der Ampel-Koalition gibt es Stimmen für eine Reform des Abtreibungsrechts. Der Koalitionsvertrag hat aber keine konkrete Festlegung getroffen. Zunächst soll eine Kommission mit Expertinnen und Experten darüber beraten. Denn eine Reform ist nicht nur ethisch umstritten, sondern auch juristisch kompliziert.

Paragrafen 218: Fragen und Antworten zur aktuellen Debatte

Wie ist die derzeitige Rechtslage?
Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland – geregelt im Paragrafen 218 – grundsätzlich verboten, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Dazu zählen laut Paragraf 218a die Bedingungen, dass zuvor eine Beratung stattgefunden hat und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. Eine Abtreibung ohne vorherige Beratung ist möglich, wenn das Leben der Mutter andernfalls gefährdet würde oder die Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wurde.

Wie viele Schwangerschaftsabbrüche werden in Deutschland vorgenommen?
2021 gab es in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts 94.596 Schwangerschaftsabbrüche. Nachdem die Zahl der Abtreibungen in den Jahren davor jeweils gesunken war, beobachteten die Statistiker im vergangenen Jahr einen Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche, im dritten Quartal 2022 sogar um 16,7 Prozent. Die Gesamtzahl für das zurückliegende Jahr liegt noch nicht vor. Bis Ende September 2022 lag die Zahl der Abtreibungen bei rund 77.900.

Warum gibt es Überlegungen für eine Regelung außerhalb des Strafrechts?
Das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs durch das Strafrecht wird von Kritikerinnen und Kritikern als bevormundend gegenüber den Frauen wahrgenommen. Sie finden, dass die Frauen selbstbestimmt über ihren Körper und darüber entscheiden sollen, ob sie das Kind bekommen wollen.

Was sind die Argumente dagegen?
Befürworter der derzeitigen Rechtslage stellen heraus, dass nicht nur die Frau ein Recht auf Selbstbestimmung, sondern auch das ungeborene Kind ein Recht auf Schutz hat. Sie verweisen dabei auch auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das mit seinen Urteilen zum Thema in der Vergangenheit nahegelegt hat, dass dieser Schutz nur durch eine Regelung im Strafrecht gewährleistet werden könnte. Die derzeitige, seit 1995 geltende Regelung war infolge eines solchen Urteils geschaffen worden.

Hat es seitdem keine Veränderungen gegeben?
Doch, in kleinen Teilen. Nachdem das ehemals in 219a festgelegte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche dazu führte, dass Ärztinnen verklagt wurden, selbst wenn sie nur über Abtreibungen informierten, rang sich die Koalition aus Union und SPD in der vergangenen Wahlperiode dazu durch, den Paragrafen zu ändern. Ärztinnen und Ärzte durften demnach darüber informieren, dass sie eine Abtreibung vornehmen, nicht aber, mit welcher Methode. Weil dies SPD, Grünen und FDP nicht weit genug ging, schafften sie den Paragrafen mit der neuen Mehrheit im Bundestag 2022 ganz ab.

Will die Ampel-Koalition auch den Paragrafen 218 abschaffen?
Dafür gibt es innerhalb der Koalition Befürworterinnen und Befürworter. Der Koalitionsvertrag legt aber keine Position dazu fest. Darin haben SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine Kommission zu berufen, die zunächst – neben Regeln für andere medizin-ethische Themen – eine Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen soll. Ob es noch innerhalb dieser Wahlperiode Änderungen am geltenden Recht geben wird, haben die Parteien damit offen gelassen. Sie wollen zunächst das Ergebnis der Kommission abwarten, die nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums bald ihre Arbeit aufnehmen wird. Ihr gehören 18 Professorinnen und Professoren aus den Bereichen Ethik, Medizin und Recht an.