Opposition und Kirchen erneuern Forderung nach Exportstopp für Rüstungsgüter an Saudi-Arabien – Bundesregierung will bisherigen Kurs beibehalten

Nach den Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien mehren sich in Deutschland die Stimmen nach einem Export-Stopp für deutsche Rüstungsgüter. Mahnende Stimmen kommen inzwischen auch aus der Koalition.

Die fortwährende Exporte von Waffen in den nahen Osten stoßen bei Opposition und Kirche auf Widerspruch.
Die fortwährende Exporte von Waffen in den nahen Osten stoßen bei Opposition und Kirche auf Widerspruch.Catalin Pop - Fotolia

Berlin. Die Massenhinrichtungen in Saudi-Arabien haben eine neue Debatte um einen Export-Stopp für deutsche Rüstungsgüter in das Königreich ausgelöst. Die Bundesregierung will jedoch trotz Kritik aus Opposition und den Kirchen ihren Kurs nicht ändern. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, die Genehmigungspraxis für die Rüstungs-Ausfuhr sei "grundsätzlich restriktiv". Daran werde festgehalten.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte, in der letzten Zeit sei keine Lieferung von Kampfwaffen an Saudi-Arabien genehmigt worden. Offen blieb, ob die Verschärfung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran Konsequenzen für die Ausfuhr von bereits für den Export genehmigter Rüstungsgüter haben könnte.
Die Opposition und die Kirchen erneuerten ihre Forderungen nach einem Stopp der Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien. Bedenken kamen auch aus der SPD und von einzelnen CDU-Politikern. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende, Franz-Josef Jung (CDU) betonte demgegenüber, Saudi-Arabien bleibe "mit Blick auf die Stabilität in der Region ein wichtiger Partner" Deutschlands.
Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, die strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien aufzukündigen und mäßigend auf die Regierungen in Riad und Teheran einzuwirken. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Massenexekutionen müssen für die Bundesregierung der letzte Weckruf sein, dass sie so nicht weitermachen kann." Er wertete die Hinrichtungen als "Panikreaktion" der saudischen Regierung vor dem Hintergrund innenpolitischer Spannungen. "Das zeigt, wie lächerlich es ist zu behaupten, dieses Land sei ein Stabilitätsanker", sagte Nouripour. Auch wegen der Beteiligung des Landes am Krieg im Jemen hätten die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien "längst eingestellt" werden müssen.
Mahnende Stimmen wurden auch in der Koalition laut. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte den Zeitungen der Essener Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben), die Folge für die deutsche Politik sei klar: "Zurzeit müssen politische Interessen im Vordergrund stehen, wirtschaftliche Fragen haben dahinter zurückstehen. Ich plädiere dafür, bei den Waffenlieferungen sehr zurückhaltend und auch ablehnend zu sein." Der Vorsitzende der deutsch-arabischen Parlamentariergruppe im Bundestag, der CDU-Politiker Michael Hennrich, sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe): "Ein Moratorium bei den Waffenlieferungen wäre jetzt das richtige Signal."
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) forderte ein sofortiges Ende von Rüstungsexporten in die Region. "Die erteilten Genehmigungen müssen gestoppt oder ausgesetzt werden," sagte die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mögliche Kompensationsforderungen an die deutsche Regierung dürften in der jetzigen Lage kein Grund sein, die Genehmigungen nicht zurückzuziehen. Nach der Eskalation in der Ukraine-Krise habe Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im August 2014 eine große Liefergenehmigung nach Russland widerrufen und die Auslieferung von Rüstungsgütern gestoppt. "Es geht, wenn der politische Wille da ist", sagte Casel.
Die Bundesregierung verurteilte die Hinrichtung von 47 Gefangenen in Saudi-Arabien. Dies habe das Potenzial, religiöse und politische Spannungen in der Region zu verschärfen, sagte Seibert. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, sagte, der Mittlere Osten sei der Welt bei der Konfliktbewältigungen in der Region etwas schuldig. Saudi-Arabien und der Iran seien in der Pflicht, zur Krisenbewältigung beizutragen.
Die Hinrichtungen hatten am Wochenende international Entsetzen und Proteste ausgelöst. Unter den 47 Getöteten ist der oppositionelle schiitische Geistliche Nimr al-Nimr, was die Spannungen mit dem Iran verschärfte. Saudi-Arabien brach am Sonntag die diplomatischen Beziehungen zu Teheran ab. In Teheran wurde die saudische Botschaft gestürmt. Während sich der Iran als Schutzmacht der Schiiten sieht, ist das Königreich Saudi-Arabien von der sunnitischen Glaubensrichtung im Islam dominiert. (epd)