Ökumene an der Autobahn

Die Sommerferien sind Hochsaison für die Autobahnkirchen. Im kleinen Grasdorf am Autobahnkreuz Salzgitter gibt es gleich zwei: eine katholische und eine evangelische.

Pastor Peter Michael Wiegandt vor der evangelischen Nikolai-Kirche
Pastor Peter Michael Wiegandt vor der evangelischen Nikolai-KircheSven Kriszio

Holle/Damme. Nur rund 800 Einwohner hat die kleine Ortschaft Grasdorf zwischen Hildesheim und Salzgitter, aber gleich zwei Kirchen, beides Autobahnkirchen. Das ist einmalig in Deutschland, wo es insgesamt nur 44 Autobahnkirchen gibt, darunter 17 ökumenische. Wer also die A7 an der Ausfahrt Derneburg/Salzgitter verlässt und dann auf die Dorfstraße nach Grasdorf abbiegt, der hat die Qual der Wahl: katholisch oder evangelisch. So scheint es jedenfalls. Tatsächlich ergänzen sich beide Gemeinden, deren Gotteshäuser kaum 200 Meter voneinander entfernt sind. „Wir haben uns vor zehn Jahren gemeinsam als Autobahnkirchen beworben“, sagt Pastor Peter Michael Wiegandt. „Und jetzt unterstützen wir uns gegenseitig.“

Seit Jahren sei die Zusammenarbeit immer enger geworden, so der evangelische Pastor weiter. „Eine Gruppe aus sieben Leuten schließt die evangelische Nikolaikirche und die katholische Marienkirche morgens auf und abends wieder ab.“ Drei aus der Gruppe seien katholisch, vier evangelisch. Auch Gottesdienste feiere man gemeinsam. Zuletzt Pfingsten. „Wir besprechen derzeit, wie wir das Miteinander noch intensivieren können. Denn die Katholiken feiern hier in Grasdorf am Sonntag keine Messe mehr, sondern nur eine Andacht am Freitag.“ Als Symbol der Gemeinschaft sei im vergangenen Jahr in beiden Kirchen eine Ausstellung über Maria und Nikolaus zu sehen gewesen.

Mistwagen vor Fronleichnamszug

Noch in den 1950er Jahren sei das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken in der kleinen Ortschaft angespannt gewesen, erzählt Kirchenvorsteher Norbert Priebe. „Da fuhren die Protestanten absichtlich mit dem Mistwagen vor dem Fronleichnamszug her.“ Doch das sei lange vorbei, so der 67-Jährige. Mittlerweile gebe es viele konfessionsverschiedene Ehepaare in der Ortschaft. „Die Ökumene ist längst Normalität.“ So verweisen Schilder vor beiden Autobahnkirchen die Besucher auf das andere Gotteshaus.

In diesem Geist feiern beide Gemeinden auch den „Tag der Autobahnkirchen“ am Sontag, 7. Juli ,in gewohnter Weise zusammen. „Wir beginnen um 14 Uhr mit einem Gottesdienst in der Nikolaikirche. Dann wechseln wir zu einem Vortrag in die St.-Marien-Kirche auf der anderen Straßenseite.“ Ein Thema wird die Baustelle am Autobahnkreuz Salzgitter sein, die sich voraussichtlich bis 2022 hinziehen wird. Drei Brücken müssen erneuert werden. Auch andere Autobahnkirchen laden an dem Tag zum „Tag der Autobahnkirchen“ ein: Die ökumenische Kapelle auf dem Rasthof „Dammer Berge“ an der A1 bei Osnabrück feiert um 10.30 Uhr einen Open-Air-Gottesdienst. Das ZDF überträgt seinen Fernsehgottesdienst aus der Autobahnkirche Exter ab 9.30 Uhr.

Die Qual der Wahl in Grasdorf entscheiden viele Reisende übrigens ganz pragmatisch: „Von den Anliegenbüchern, die in beiden Kirchen ausliegen, wissen wir, dass viele beide Kirchen besuchen“, sagt Wiegandt. Denn jede Kirche sei auf ihre Art sehenswert.