Nordkirche will sexuellen Missbrauch weiter aufarbeiten

„Das Thema geht ans Innerste unseres Kirchenverständnisses“ sagt Bischöfin Kirsten Fehrs. Die evangelische Kirche müsse sich ihrer institutionellen Schuld stellen.

Die Synode der Nordkirche tagt in Lübeck-Travemünde
Die Synode der Nordkirche tagt in Lübeck-TravemündeNadine Heggen / epd

Lübeck-Travemünde. Bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs ist die Nordkirche eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Jahren deutlich voran gekommen. Es sei nicht mehr die Frage, ob es Maßnahmen der Aufarbeitung und Prävention brauche, sondern wie diese aussehen sollten, sagte Alke Arns, Leiterin der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt, auf der Tagung der Landessynode. Es gehe darum, Vertrauen in die Institution Kirche wiederzugewinnen.

Aus den ersten Schritten der Sensibilisierung sei im Jahr 2018 das Präventionsgesetz entstanden, das den Weg für weitreichende und verbindliche Veränderungen geebnet habe. Mittlerweile gebe es in der Nordkirche feste Verfahrensstandards für die Krisenintervention bei Fällen sexualisierter Gewalt. Außerdem wurde die Arbeit der Fachstelle durch die Einrichtung einer Stabsstelle Prävention dauerhaft gefestigt. Inzwischen verfügen auch alle 13 Kirchenkreise der Nordkirche, die Hauptbereiche und die diakonischen Landesverbände über Präventionsbeauftragte und Ansprechpersonen für dieses Thema.

Verantwortung vor Ort wichtig

Aufgrund der dezentralen Strukturen der Nordkirche sei die Eigenverantwortung vor Ort besonders wichtig, sagte Arns. Nun gehe es um einen erneuten Weg des Kultur- und Haltungswandels. Ziel sei, dass Kirche es als originäre Aufgabe ansehe, Fachkompetenz im Bereich von Prävention und Unterstützung aufzubauen und einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

Bischöfin Kirsten Fehrs
Bischöfin Kirsten FehrsPhilipp Reiss / epd

„Das Thema geht ans Innerste unseres Kirchenverständnisses“ sagte Bischöfin Kirsten Fehrs in ihrem Bericht zum Stand der Prävention innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Kirche ist nicht Kirche, wenn sie der Gewalt nicht wehrt. Der Schutz von Leib und Seele der uns anvertrauten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ist allerhöchste Aufgabe“. Die evangelische Kirche müsse sich ihrer institutionellen Schuld stellen. „Es waren unsere Strukturen, unsere kirchlichen Räume, unsere Chöre und Freizeiten, unsere Heime, die von Tätern und Täterinnen für Gewalttaten ausgenutzt wurden.“

Der 2018 von der EKD beschlossene 11-Punkte-Handlungsplan gegen sexualisierte Gewalt sei ein wichtiger Zwischenschritt gewesen, um die Präventionsarbeit in den Landeskirchen zu systematisieren und zu priorisieren.

Nur vier Fälle ohne Einigung

In der 2012 ins Leben gerufenen nordkirchlichen „Unterstützungsleistungskommission für Betroffene von sexualisierter Gewalt“ (ULK) habe sie gemeinsam mit den Landessynodalen Michael Rapp und Kai Greve sowie der kirchen-externen systemischen Therapeutin Ulla Wolter-Cornell etwa 70 Fälle bearbeiten können, so die Bischöfin. Es wurden über eine Million Euro an Unterstützungsleistungen gezahlt. Nur in vier Fällen habe es bislang keine Einigung gegeben. Nach zehn Jahren werde das ULK die Aufgabe im Sommer 2022 in andere Hände übergeben, kündigte Fehrs an. (epd)